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Garou

Garou

Titel: Garou Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Swann
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in Wasser verdünnt werden musste, bevor man es trinken konnte. Aber Mama machte keine Anstalten, sich zu verdünnen.
    »So wie es aussieht, ist der Schnösel allein aus dem Wald zurückgekommen«, sagte sie zu niemand Bestimmtem. »Sie lassen mich nicht mit ihm sprechen. Sie sagen, er hatte einen Unfall. Irgendetwas Schweres ist ihm auf den Kopf gefallen. Er behauptet: ein Schaf. Die anderen glauben: ein Ast. Ich denke, irgendjemand hat ihm eine übergezogen und sich mit Rebecca aus dem Staub gemacht. Oder er war es selbst und tut nur so. Jedenfalls hat niemand sie gesehen, kein einziger von diesen ganzen lächerlichen Waldmännern. Behaupten sie zumindest.«
    Mama zitterte.
    Die Schafe hörten aufmerksam zu. Sie wussten, dass dem Häher eine Ziege auf den Kopf gefallen war, und streng genommen auch nicht auf den Kopf, sondern in den Nacken. Aber wo Rebecca war, wussten sie auch nicht.
    Sie dachten nicht sofort an Futter, aber bald dann doch. Wer würde ihnen heute Kraftfutter geben, wenn Rebecca nicht wiederkam? Wer würde ihnen überhaupt Kraftfutter geben? Mama?
    Zuerst einmal sah es nicht danach aus.
    Mama ging in den Schäferwagen und unterhielt sich dort so laut mit dem Sprechgerät, dass die Schafe sogar durch die geschlossene Tür etwas mitbekamen. Nicht die Worte, aber die Stimmung. Die Stimmung war schlecht.
    Kurze Zeit später kam die neue, konzentrierte Version von Mama wieder zurück, in Gummistiefeln diesmal und mit Handschuhen. Die Schafe konnten sehen, dass sie geweint hatte.
    »Sie kommen!«, sagte sie. »Und ihr kriegt Futter! Wenn ich jetzt nicht irgendwas Nützliches mache, werde ich verrückt!«
    Mama war sehr unerfahren darin, etwas Nützliches zu tun, und das machte sie zu einer ausgezeichneten Futterspenderin. Sie schwenkte den Eimer zu stark hin und her und verteilte so zusätzlich Futter auf der Weide, und sie kippte ihnen unglaubliche acht Eimer in den Trog.
    Dann schaufelte sie Heu aus der Futterkammer, einfach so, und auf einmal gab es auf ihrer Weide einen kleinen Heuhaufen - nicht in der Raufe, wo er hingehörte, sondern mitten im Schnee. Der Heuhaufen sah unwirklich aus - wie etwas in einer Geschichte.
    »Heu! Heu! Heureka!«, blökten die Schafe.
    Aber irgendwie fühlte es sich nicht richtig an. Es war zu früh für den Heuhaufen. Die Geschichte war noch nicht vorbei.
     
    Kalt. Kalt und leer.
    Rebecca lag in ihren roten Mantel gewickelt auf dem Metallbett und versuchte, nicht zu denken. Sie war aufgestanden und im Zimmer herumgegangen. Irgendwann hatte sie eine Weile geschrien. »Hilfe!« und »Maurice!« und manchmal einfach nur »Waaaah!« und - am allerverstörensten - »Mama!«.
    Und dann hatte sie mit dem Schreien wieder aufgehört. Nicht aus Überzeugung. Auch nicht aus Erschöpfung. Einfach so. Sie hatte das ungute Gefühl, dass hier schon zu viele Menschen geschrien und geheult hatten, ungestört, ungehört, außer von den gemalten Faunen an der Decke. Der Raum war groß und leer, und ihre Schreie hallten.
    Die Fenster ließen sich nicht öffnen und - auch das hatte sie versucht - nicht zerschlagen, zumindest nicht mit bloßer Hand. Und Dinge gab es hier keine.
    Doch. Ein Ding schon.
    Das Ding gab ihr eine Menge zu denken.
    So ein einfaches Ding.
    Eine Wasserflasche auf dem spiegelnden Parkett, in der Mitte des Raumes. Eine frische, volle Wasserflasche aus Plastik. Evian. Ihr Körper besteht zu 60 Prozent aus Wasser. Wählen Sie das Wasser, das Sie trinken, mit Sorgfalt. Wasser ist Leben.
    Sie kannte den Text auf der Flasche auswendig, und sie verstand ihn besser, als sie je etwas verstanden hatte. Zwei Liter. Zwei Liter Leben.
    Die Flasche war beruhigend und beunruhigend zugleich.
    Jemand wollte, dass sie nicht verdurstete.
    Jemand wollte, dass sie hierblieb.
    Wie lange konnte man mit einer Wasserflasche auskommen? Zwei Tage? Eine Woche?
    Und noch ein dritter Gedanke umtanzte die Flasche, flüchtig wie ein Lichtreflex. Immer, wenn sie hinsah, war er schon wieder fort. Und doch. Und doch. Eine Plastikflasche. Kein Glas. Vielleicht war das Zufall. Hier in Frankreich gab es oft Plastikflaschen.
    Eine Plastikflasche konnte sie nicht zerschlagen. Eine Plastikflasche würde keine scharfen Scherben hergeben, mit denen sie andere schneiden konnte. Mit denen sie sich schneiden konnte. Was waren das für Gedanken? Warum sollte sie sich schneiden?
    Rebecca beschloss, dass es nicht ihre Gedanken waren. Es waren Gedanken von früher. Gedanken, die in diesem Raum viel zu oft gedacht

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