Garp und wie er die Welt sah
T.S.?«, fragte der Polizist. Garp wusste, was als Nächstes
kommen würde; er war erschöpft.
»Ja, T.S.«, sagte er. »Nur T.S.«
»He, T riebtäter S aftsack!«, johlte der Junge im Streifenwagen und
ließ sich der Länge nach auf den Rücksitz fallen.
»Wofür steht der erste
Anfangsbuchstabe, Mr. Garp?«, fragte der Polizist.
»Für nichts«, sagte Garp.
»Für nichts?«, sagte der
Polizist.
»Es sind nur Anfangsbuchstaben«,
sagte Garp. »Sie sind alles, was meine Mutter mir gegeben hat.«
»Ihr Vorname ist T ?«, fragte der Polizist.
»Die Leute nennen mich Garp«,
sagte Garp.
»Eine tolle Geschichte, Mann!«,
rief der Junge im Kaftan, aber der Polizist, der dem Streifenwagen am nächsten
stand, klopfte warnend auf das Dach.
»Wenn du noch einmal deine
schmutzigen Füße auf den Sitz legst, Sonny«, sagte er, »leckst du die Sauerei
mit der Zunge ab.«
»Garp?«, sagte der Polizist, der
Garp vernahm. »Ich weiß, wer Sie sind!«, rief er plötzlich. Garp erschrak. »Sie
sind der, der den Sittenstrolch im Park erwischt hat!«
»Ja!«, sagte Garp. »Das war ich.
Aber das war nicht hier, und es ist Jahre her.«
»Ich weiß es noch, als wäre es
gestern gewesen«, sagte der Polizist.
»Was denn?«, fragte der andere
Polizist.
»Du bist noch zu jung«, sagte der
Ältere zu ihm. »Das ist der Mann namens Garp, der den Sittenstrolch im Park [412] geschnappt
hat – wo war es doch gleich? Den Kinder schänder, das
war er. Und was waren Sie doch noch?«, fragte er Garp neugierig. »Ich meine, da
war doch irgend so etwas Komisches, nicht wahr?«
»Komisch?«, sagte Garp.
»Wovon lebten Sie«, sagte der Polizist. »Damals?«
»Vom Schreiben«, sagte Garp.
»Ah ja«, erinnerte sich der
Polizist. »Sind Sie immer noch Schriftsteller?«
»Ja«, gestand Garp. Er wusste
zumindest, dass er kein Eheberater war.
»Na gut«, sagte der Polizist,
aber irgendetwas bedrückte ihn noch. Garp sah ihm an, dass irgendetwas nicht in
Ordnung war.
»Ich hatte damals einen Bart«,
sagte Garp.
»Genau!«, rief der Polizist. »Und
Sie haben ihn abrasiert?«
»Genau«, sagte Garp.
Die Polizisten berieten sich im
roten Schein der Rücklichter des Streifenwagens. Sie beschlossen, Garp und
Duncan nach Hause zu fahren, aber sie sagten, Garp müsse ihnen trotzdem
irgendeinen Ausweis zeigen.
»Ich erkenne Sie von den Bildern
her einfach nicht wieder – ohne den Bart«, sagte der ältere Polizist.
»Es ist ja auch schon Jahre her«,
sagte Garp traurig, »und es war in einer anderen Stadt.«
Es war Garp unangenehm, dass der
junge Mann im Kaftan das Haus sehen würde, in dem die Garps wohnten. Garp malte
sich aus, dass der junge Mann eines Tages aufkreuzen und irgendetwas verlangen
könnte.
[413] »Erinnerst du dich an mich?«,
fragte der junge Mann Duncan.
»Ich glaube nicht«, sagte Duncan
höflich.
»Na, du hast ja auch schon fast
geschlafen«, meinte der junge Mann. Und zu Garp sagte er: »Sie sind zu
verkrampft mit Kindern, Mann. Kinder schaffen es sehr gut. Ist das Ihr einziges
Kind?«
»Nein, ich habe noch eins«, sagte
Garp.
»Mann, Sie sollten noch ein Dutzend haben«, sagte der Junge. »Dann wären Sie
vielleicht nicht so verkrampft mit dem einen hier, verstehen Sie?« Da erinnerte
sich Garp an das, was seine Mutter als die Percy’sche Kindertheorie bezeichnet
hatte.
»Nächste links«, sagte Garp zu
dem Polizisten, der am Steuer saß, »und dann gleich wieder rechts, und dort an
der Ecke ist es dann.« Der andere Polizist gab Duncan einen Lolly.
»Danke«, sagte Duncan.
»Und ich?«, fragte der junge Mann
in dem Kaftan. »Ich mag auch Lollys.« Der Polizist sah ihn wütend an. Als er
ihnen wieder den Rücken zuwandte, gab Duncan dem Kaftanjüngling seinen Lolly;
er mochte keine Lollys, schon als kleines Kind nicht.
»Danke«, flüsterte der junge
Mann. »Sehen Sie, Mann?«, sagte er zu Garp. »Kinder sind einfach wunderbar.«
Helen auch, dachte Garp – wie sie
da im erleuchteten Türrahmen stand. Ihr blaues bodenlanges Morgenkleid hatte
einen hohen Kragen, den Helen hochgeschlagen hatte, als friere sie. Sie hatte
auch ihre Brille auf – offenbar hatte sie nach ihnen Ausschau gehalten.
[414] »Mann«, flüsterte der Junge in
dem Kaftan und stieß Garp mit dem Ellbogen an, als er aus dem Auto stieg. »Wie
sieht diese tolle Biene erst aus, wenn sie die Brille abnimmt?«
»Mom! Sie haben uns verhaftet!«,
rief Duncan Helen zu.
Die Polizisten im Streifenwagen
warteten darauf, dass Garp seinen
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