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Garp und wie er die Welt sah

Garp und wie er die Welt sah

Titel: Garp und wie er die Welt sah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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seine Lippen und bedeutete ihm
zu schweigen.
    »Jetzt ruft es zusammen «, flüsterte Garp. »Ich zähle bis drei: ›Er ist immer noch unter
Wasser!‹ Eins, zwei, drei.«
    »Er ist immer noch unter Wasser!«, brüllten Duncan und Walt zusammen, und Helen hatte das
Gefühl, ihre [492]  eigenen Lungen würden bersten. Sie fühlte, wie sich ihr ein
Schrei entrang, aber kein Laut war zu hören, und sie rannte die Treppe hinauf
und dachte, nur ihr Mann habe eine solche Schikane ersinnen können, um es ihr
heimzuzahlen: sich vor den Augen ihrer Kinder zu ertränken und ihr die
Erklärung zu überlassen, warum er es getan hatte.
    Sie rannte schreiend ins
Badezimmer, erschreckte Duncan und Walt so sehr, dass sie sich fast im selben
Augenblick wieder fangen musste – damit sie es nicht mit der Angst bekamen.
Garp stand nackt vor dem Spiegel und trocknete sich langsam zwischen den Zehen
ab und beobachtete sie auf eine Art, die Ernie Holm, wie sie sich erinnerte,
seinen Ringern beigebracht hatte, um nach einem guten Anfang zu sehen.
    »Du kommst zu spät«, sagte er.
»Ich bin bereits tot. Aber es ist rührend und ein bisschen überraschend, dass
du dir etwas daraus machst.«
    »Wir reden später darüber?«, bat
sie ihn hoffnungsvoll – und lächelnd, als sei es ein guter Witz gewesen.
    »Wir haben dich reingelegt!«,
sagte Walt und knuffte Helen an dem spitzen Knochen über ihrer Hüfte.
    »Junge, wenn wir das mit dir gemacht hätten«, sagte Duncan zu seinem Vater, »wärst
du stocksauer auf uns gewesen.«
    »Die Kinder haben noch nichts
gegessen«, sagte Helen.
    »Niemand hat etwas gegessen«,
sagte Garp. »Es sei denn, du hättest es getan.«
    »Ich kann warten«, sagte sie.
    »Ich auch«, sagte Garp.
    »Ich werde den Kindern etwas machen«,
erbot sich [493]  Helen und schob Walt aus dem Badezimmer. »Es müssen noch Eier da
sein und Cornflakes.«
    »Zum Abend essen?«,
sagte Duncan. »Das wird ja ein tolles Abendessen«, sagte er.
    »Ich habe es einfach vergessen,
Duncan«, erklärte Garp ihm.
    »Ich will aber Toast«, sagte
Walt.
    »Du kannst Toast haben«, sagte
Helen.
    »Bist du auch sicher, dass du
damit fertig wirst?«, fragte Garp Helen.
    Sie lächelte ihn nur an.
    »Mein Gott, sogar ich werde mit Toast fertig«,
sagte Duncan. »Ich glaube, sogar Walt kann Cornflakes
zurechtmachen.«
    »Eier sind aber schwierig«, sagte
Helen und versuchte zu lachen.
    Garp fuhr fort, sich zwischen den
Zehen abzutrocknen. Als die Jungen das Badezimmer verlassen hatten, steckte
Helen wieder den Kopf zur Tür herein. »Es tut mir leid, und ich liebe dich«,
sagte Helen, aber er wollte nicht von seiner gezielten Beschäftigung mit dem
Handtuch aufblicken. »Ich wollte dir auf keinen Fall weh tun«, fuhr sie fort.
»Wie hast du es rausbekommen? Ich habe nicht ein Mal aufgehört, an dich zu denken. War es dieses Mädchen?«, flüsterte Helen, aber
Garp richtete all seine Aufmerksamkeit auf seine Zehen.
    Als sie den Kindern Essen
hingestellt hatte (als wären sie Haustiere !, würde
sie später im Stillen denken), ging sie wieder zu ihm nach oben. Er war immer noch
vor dem Spiegel, saß nackt auf dem Wannenrand.
    [494]  »Er bedeutet mir nichts; er
hat dir nie etwas weggenommen«, erklärte sie ihm. »Jetzt ist es aus, wirklich.«
    »Seit wann?«, fragte er sie.
    »Seit jetzt«, sagte sie zu Garp.
»Ich muss es ihm nur noch sagen.«
    »Sag es ihm nicht «, sagte Garp. »Lass ihn von selbst darauf kommen.«
    »Das kann ich nicht«, sagte
Helen.
    »In meinem Ei ist Schale!«,
brüllte Walt von unten.
    »Mein Toast ist verbrannt!«,
sagte Duncan. Sie hatten sich verbündet, um ihre Eltern voneinander abzulenken – ob sie es nun wussten oder nicht. Kinder, dachte Garp, haben irgendwie das
Gespür dafür, ihre Eltern voneinander zu trennen, wenn ihre Eltern voneinander
getrennt werden sollten.
    »Esst trotzdem!«, rief Helen
ihnen zu. »Es wird schon nicht so schlimm sein.«
    Sie versuchte, Garp zu berühren,
aber er drängte sich an ihr vorbei, aus dem Badezimmer hinaus; er begann, sich
anzuziehen.
    »Esst auf, und dann gehe ich mit
euch ins Kino!«, rief er den Jungen zu.
    »Warum tust du das?«, fragte ihn
Helen.
    »Ich bleibe nicht mit dir hier«,
sagte er. »Wir gehen aus. Du rufst dieses mickrige Arschloch an und sagst ihm
Lebewohl.«
    »Er wird mich sehen wollen«,
sagte Helen benommen – die Realität, dass sie es jetzt, da Garp darüber
Bescheid wusste, hinter sich hatte, wirkte auf sie wie Novocain. Wenn sie
zuerst gespürt

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