Garp und wie er die Welt sah
Walt anfuhr und den Jungen erschreckte.
»Sag das nie wieder«, sagte Garp.
[498] »Ich will nicht groß werden«, sagte Walt.
»Oh, ich verstehe«, sagte Garp
besänftigend. »Du meinst, du bist gern ein kleiner Junge?«
»Ja«, sagte Walt.
»Walt ist so komisch«, sagte Duncan.
»Nein!«, rief Walt.
»Doch«, sagte Duncan.
»Geht schon zum Auto, und steigt
ein«, sagte Garp. »Und hört auf, euch zu streiten.«
» Ihr habt euch gestritten«, sagte Duncan vorsichtig; niemand reagierte, und Duncan
zerrte Walt aus der Küche. »Los«, sagte er.
»Ja, ins Kino !«,
sagte Walt. Sie verließen die Küche.
Garp sagte zu Helen: »Er darf
nicht hierherkommen, unter keinen Umständen. Wenn du ihn in dieses Haus lässt,
wird er nicht lebend wieder hinauskommen. Und du gehst nicht aus dem Haus«,
sagte er. »Unter keinen Umständen. Bitte«, fügte er hinzu, und er musste sich
von ihr abwenden.
»O Liebling«, sagte Helen.
»Er ist so ein Arschloch !«,stöhnte Garp.
»Es konnte niemand sein, der so
ist wie du, verstehst du nicht?«, sagte Helen. »Es konnte nur jemand sein, der völlig anders ist als du.«
Er dachte an die Babysitterinnen
und an Alice Fletcher und daran, wie er sich auf unerklärliche Weise von Mrs.
Ralph angezogen fühlte, und er wusste natürlich, was sie meinte; er ging zur
Küchentür hinaus. Draußen regnete es, und es war schon dunkel; vielleicht würde
der Regen gefrieren. Der Matsch in der Einfahrt war feucht, aber fest. [499] Er
wendete das Auto; dann fuhr er aus Gewohnheit langsam zum Rand der Einfahrt und
stellte den Motor und die Scheinwerfer ab. Der Volvo rollte hinunter, aber er
kannte die dunkle Krümmung der Einfahrt auswendig. Die Jungen fanden das
Geräusch von dem Kies und dem schmatzenden Matsch in der zunehmenden Schwärze
aufregend, und als er am unteren Ende der Einfahrt die Kupplung betätigte und
die Scheinwerfer einschaltete, jubelten sie beide.
»In welchen Film gehen wir?«,
fragte Duncan.
»In welchen ihr wollt«, sagte
Garp. Sie fuhren in die Stadt, um sich die Plakate anzuschauen.
Es war kalt und feucht im Auto,
und Walt hustete; die Windschutzscheibe beschlug fortwährend, so dass man kaum
erkennen konnte, was in den Kinos gespielt wurde. Walt und Duncan stritten sich
wieder darüber, wer in der Lücke zwischen den Vordersitzen stehen durfte; aus
irgendeinem Grund war das für sie seit eh und je der bevorzugte Platz hinten im
Auto, und sie hatten sich schon immer gestritten, wer dort stehen oder knien
durfte – wobei sie sich gegenseitig schubsten und gegen Garps Ellbogen stießen,
wenn er den Schalthebel betätigte.
»Weg da, alle beide«, sagte Garp.
»Es ist der einzige Platz, wo man
etwas sehen kann«, sagte Duncan.
» Ich bin der Einzige, der etwas sehen muss«, sagte Garp. »Und dieser Defroster ist
ein solcher Mist «, fügte er hinzu, »dass sowieso niemand etwas durch die Windschutzscheibe sehen kann.«
»Warum schreibst du den Leuten
bei Volvo nicht?«, schlug Duncan vor.
[500] Garp versuchte, sich einen
Brief nach Schweden über die Unzulänglichkeiten des Lüftungssystems
vorzustellen, aber er konnte sich nicht sehr lange mit der Vorstellung
beschäftigen. Hinten, auf dem Boden, kniete Duncan sich auf Walts Fuß und
schubste ihn aus der Lücke zwischen den Sitzen; jetzt weinte und hustete Walt.
»Ich bin zuerst hier gewesen«,
sagte Duncan.
Garp schaltete ruckartig zurück,
und die unbedeckte Spitze des nackten Schalthebels bohrte sich in seine
Handfläche.
»Siehst du das, Duncan?«, fragte
Garp zornig. »Siehst du diesen Schalthebel? Er ist wie ein Speer. Möchtest du vielleicht darauf fallen, wenn ich plötzlich halten
muss?«
»Warum lässt du ihn nicht
reparieren?«, fragte Duncan.
»Mach, dass du aus dieser verdammten
Lücke rauskommst, Duncan!«, sagte Garp.
»Der Schalthebel ist schon seit
Monaten so«, sagte Duncan.
»Seit Wochen vielleicht«, sagte Garp.
»Wenn es gefährlich ist, solltest
du ihn reparieren lassen«, sagte Duncan.
»Das ist die Aufgabe deiner Mutter«,
sagte Garp.
»Sie sagt, es ist deine Aufgabe, Dad«, sagte Walt.
»Was macht dein Husten, Walt?«,
fragte Garp.
Walt hustete. Das feuchte Rasseln
in seiner kleinen Brust schien eine Nummer zu groß für den Jungen.
»Jesus«, sagte Duncan.
»Sehr schön, Walt«, sagte Garp.
»Es ist nicht meine Schuld«,
beklagte sich Walt.
»Natürlich nicht«, sagte Garp.
[501] »Doch«, sagte Duncan. »Walt
planscht dauernd in Pfützen rum.«
»Das stimmt
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