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Garp und wie er die Welt sah

Garp und wie er die Welt sah

Titel: Garp und wie er die Welt sah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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gebrochen.
    Und er lächelte sie an und
gab ihnen, je nachdem, eine zweite Mitteilung. Die eine lautete:
    Im Ofen
in der Küche brennt ein hübsches kleines Feuer. Gehen Sie bitte links.
    Und eine andere lautete:
    [531]  Keine
Sorge, meine Mutter kommt gleich zurück. Es sind noch andere Frauen da. Möchten
Sie sie sehen?
    In dieser Zeit gewöhnte sich
Garp wieder an, ein Sportjackett zu tragen, und zwar nicht etwa, weil er sich
nach seinen Wien- oder Steering-Zeiten zurücksehnte – und auch bestimmt nicht,
weil irgendeine Notwendigkeit bestand, sich in Dog’s Head Harbor (wo Roberta
die einzige Frau zu sein schien, die Wert auf Kleidung legte) gut anzuziehen,
sondern nur, weil er Taschen brauchte; er hatte immer so viele Mitteilungen bei
sich.
    Er versuchte, am Strand zu
laufen, aber er musste es aufgeben; das Laufen ließ seinen Kiefer vibrieren und
drückte seine Zunge gegen die Zähne. Aber er ging meilenweit im Sand spazieren.
Er kehrte gerade von einem Spaziergang zurück, als ein Streifenwagen den jungen
Mann zu Jennys Haus brachte; die Polizisten hatten ihn an den Armen genommen und
halfen ihm zu der großen vorderen Veranda hinauf.
    »Mr. Garp?«, fragte einer der
Polizisten.
    Garp zog für seine Spaziergänge
die Laufkluft an; er hatte keine Mitteilungen bei sich, aber er nickte: Ja, er
war Mr. Garp.
    »Kennen Sie den Jungen hier?«,
fragte der Polizist.
    »Natürlich kennt er mich«, sagte
der junge Mann. »Ihr Bullen glaubt doch keinem Menschen. Ihr versteht es nicht
zu relaxen. «
    Es war der junge Mann im roten
Kaftan, der Junge, den Garp aus Mrs. Ralphs Schlafzimmer hinausbefördert hatte – es kam Garp so vor, als sei das Jahre her. Garp erwog [532]  einen Moment lang,
ihn nicht wiederzuerkennen, aber dann nickte er trotzdem.
    »Der Junge hat kein Geld«,
erläuterte der Polizist. »Er wohnt nicht hier in der Gegend, und er hat keine
Arbeit. Er studiert nirgends, und als wir seine Leute anriefen, sagten sie, sie
wüssten nicht einmal, wo er ist – und sie schienen
nicht sehr daran interessiert, es zu erfahren. Aber er sagt, er wohnt bei Ihnen – und Sie würden für ihn sprechen.«
    Garp konnte natürlich nichts
sagen. Er zeigte auf seine Verklammerung und machte eine Bewegung, als schriebe
er etwas auf seine Handfläche.
    »Wann haben Sie denn die Klammern
bekommen?«, fragte der Jüngling. »Die meisten Leute haben sie, wenn sie jünger
sind. Das sind die komischsten Klammern, die ich je gesehen habe.«
    Garp schrieb eine Mitteilung auf
die Rückseite eines Strafzettels, den der Polizist ihm gab.
    Ja, ich
übernehme die Verantwortung für ihn. Aber ich kann nicht für ihn sprechen, weil
ich mir den Kiefer gebrochen habe.
    Der Junge sah dem Polizisten
über die Schulter und las.
    »Wow«, sagte er grinsend. »Was
ist mit dem anderen Kerl passiert?«
    Er hat drei Viertel seines
Schwanzes eingebüßt, dachte Garp, aber er schrieb es weder auf einen
Strafzettel noch auf irgendetwas anderes. Nie.
    Wie sich herausstellte, hatte der
Junge Garps Romane gelesen, als er im Gefängnis saß.
    [533]  »Wenn ich gewusst hätte, dass
Sie diese Bücher geschrieben haben«, sagte der Jüngling, »wäre ich nie so
respektlos gewesen.« Er hieß Randy, und er war ein glühender Garp-Fan geworden.
Garp war überzeugt, dass der Hauptstrom seiner Verehrer aus Freaks, einsamen
Kindern, retardierten Erwachsenen, Spinnern und nur wenigen Mitgliedern der
Gesellschaft bestand, die nicht an einem pervertierten Geschmack litten. Aber Randy
war zu Garp gekommen, als sei Garp nun der einzige Guru, dem er folgte. Im
Geist des Hauses seiner Mutter in Dog’s Head Harbor konnte Garp den Jungen
nicht gut abweisen.
    Roberta Muldoon übernahm die
Aufgabe, Randy über den Unfall zu informieren, der Garp und seiner Familie
zugestoßen war.
    »Wer ist denn die umwerfende
große Biene?«, fragte Randy Garp in ehrfürchtigem Flüsterton.
    Erkennen
Sie sie nicht?,
    schrieb Garp.
    Sie war
vorher Linksaußen bei den Philadelphia Eagles.
    Aber auch Garps Säuerlichkeit
konnte Randys liebenswerte Begeisterung nicht mindern. Der Junge beschäftigte
sich stundenlang mit Duncan.
    Gott
weiß, was er ihm alles beibringt,
    beklagte sich Garp bei Helen.
    [534]  Wahrscheinlich
erzählt er Duncan von all seinen Drogenerfahrungen.
    »Der Junge ist nicht
süchtig«, versicherte Helen Garp. »Deine Mutter hat ihn gefragt.«
    Dann
weiht er Duncan in seine bewegte kriminelle Vergangenheit ein,
    schrieb Garp.
    »Randy will Schriftsteller
werden«,

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