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Garp und wie er die Welt sah

Garp und wie er die Welt sah

Titel: Garp und wie er die Welt sah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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er
anderen Kindern begegnen konnte – die ihn fragen oder, natürlich, ärgern
konnten.
    Harrison war für Helen ein
Vertrauter, wie er es schon früher für sie gewesen war; sie konnte Harrison
Sachen über Michael Milton erzählen, die einfach zu brutal waren, als dass sie
sie Garp hätte erzählen können, die sie aber loswerden musste. Sie musste jetzt
auch über ihre Befürchtungen, was ihre Ehe betraf, sprechen; und wie sie so
ganz [544]  anders mit dem Unfall fertig zu werden versuchte als Garp. Harrison
schlug vor, ein weiteres Kind zu bekommen. »Werde schwanger«, riet er. Helen
vertraute ihm an, dass sie die Pille nicht mehr nahm, aber sie erzählte
Harrison nicht, dass Garp nicht mehr mit ihr geschlafen hatte – seit es
passiert war. Sie musste es Harrison nicht eigens sagen; Harrison bemerkte die
getrennten Schlafzimmer.
    Alice ermutigte Garp, mit den
albernen Mitteilungen aufzuhören. Er könne sprechen, wenn er es versuche, wenn
er sich nicht so mit der Aussprache anstelle. Wenn sie reden könne, könne er die Worte bestimmt hinausspeien, argumentierte Alice –
trotz zusammengeklammerter Zähne, empfindlicher Zunge und allem; er könne es
wenigstens versuchen.
    »Alisch«, sagte Garp.
    »Ja«, sagte Alice. »Tso heitse
ich. Und du?«
    »Arp«, brachte Garp hervor.
    Jenny Fields, die in ihrer weißen
Uniform an ihnen vorbeiging, erschauerte wie ein Geist und eilte weiter.
    »Er fehlt mir scho«, gestand Garp
Alice.
    »Er fehlt dir, natürlich tut er
dats«, sagte Alice und hielt ihn, während er weinte.
    Eine ganze Weile nachdem die
Fletchers abgefahren waren, kam Helen eines Nachts in Garps Zimmer. Sie war
nicht überrascht, ihn wach im Bett zu finden, weil er auf das horchte, was sie
ebenfalls gehört hatte. Es war der Grund, weshalb sie nicht schlafen konnte.
    Jemand, einer von Jennys
Neuzugängen – ein neuer Gast –, badete gerade. Zuerst hatten die Garps gehört,
wie die Wanne volllief, dann hatten sie den Plumps ins Wasser [545]  gehört – jetzt
das Planschen und Einseifgeräusche. Es wurde sogar leise gesungen, oder die
Person summte.
    Sie erinnerten sich natürlich an
die Jahre, in denen Walt in ihrer Hörweite gebadet hatte – wie sie jedes Mal
auf verräterische rutschende Geräusche horchten oder auf das schrecklichste
Geräusch überhaupt: kein Geräusch. Und dann pflegten sie zu rufen: »Walt?« Und
Walt sagte: »Was?« Und sie sagten: »Okay, wir wollten bloß wissen, ob du noch
da bist!« Ob er nicht in die volle Wanne gerutscht und ertrunken war.
    Walt lag gern mit den Ohren unter
Wasser und horchte auf das Geräusch, das seine Finger machten, wenn sie die
Seiten der Wanne hochkletterten, und oft hörte er nicht, wenn Garp oder Helen
ihn riefen. Dann war er überrascht, wenn er plötzlich ihre ängstlichen
Gesichter über sich sah, wie sie über den Rand der Wanne spähten. »Es ist
nichts passiert«, sagte er und setzte sich auf.
    »Um Himmels willen, so antworte doch wenigstens, Walt«, sagte Garp dann zu ihm.
»Antworte doch wenigstens, wenn wir dich rufen.«
    »Ich habe euch nicht gehört«,
sagte Walt.
    »Dann lass den Kopf aus dem
Wasser«, sagte Helen.
    »Aber wie soll ich mir dann die
Haare waschen?«, fragte Walt.
    »Das ist eine lausige Art und
Weise, sich die Haare zu waschen, Walt«, sagte Garp. »Ruf mich. Ich werde dir die Haare waschen.«
    »Okay«, sagte Walt. Und wenn sie
ihn allein ließen, steckte er wieder den Kopf unter Wasser und horchte so auf
die Welt.
    [546]  Helen und Garp lagen
nebeneinander auf Garps schmalem Bett in einem der Gästezimmer in einer der
Mansarden in Dog’s Head Harbor. Das Haus hatte so viele Badezimmer, dass sie
nicht einmal wussten, auf welches Badezimmer sie horchten, aber sie horchten.
    »Ich glaube, es ist eine Frau«,
sagte Helen.
    »Hier?«, sagte Garp. » Natürlich ist es eine Frau.«
    »Zuerst habe ich gedacht, es sei
ein Kind«, sagte Helen.
    »Ich weiß«, sagte Garp.
    »Das Summen, nehme ich an«, sagte
Helen. »Weißt du noch, wie er immer mit sich selbst geredet hat?«
    »Ich weiß«, sagte Garp.
    Sie hielten einander im Arm, in
dem Bett, das immer ein bisschen klamm war, da das Zimmer zum Meer hinausging
und da es so viele Fenster hatte, die den ganzen Tag offen standen, und da im
Haus die Fliegengittertüren dauernd aufgingen und zuschlugen.
    »Ich möchte noch ein Kind haben«,
sagte Helen.
    »Okay«, sagte Garp.
    »So bald wie möglich«, sagte
Helen.
    »Sofort«, sagte Garp.
»Natürlich.«
    »Wenn es ein

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