Garp und wie er die Welt sah
Telefonschnur mit seinem Fischermesser so mühelos wie ein
Mann, der eine sehr reife Birne halbiert. »Sie wollen sich doch nicht mit mir
anlegen«, sagte er. Hope setzte sich auf das Bett. Nicky weinte, aber nicht
verzweifelt; es klang eher so, als würde er vielleicht aufhören. Hope fing auch
an zu weinen.
»Ziehen Sie Ihre Sachen aus«,
sagte Oren. Er half ihr beim Entkleiden. Er war groß und rotblond, seine Haare
waren so dünn und saßen so dicht an seinem Kopf, dass sie aussahen wie hohes,
von einer Überschwemmung flachgedrücktes Gras. Er roch nach Silofutter, und
Hope erinnerte sich an den türkisgrünen Lieferwagen, den sie in der Einfahrt
bemerkt hatte, kurz bevor er in ihrer Küche erschienen war. »Sie haben ja sogar
einen Teppich im Schlafzimmer«, sagte er zu ihr. Er war dünn, aber muskulös;
seine Hände waren breit und ungeschickt, wie die Pfoten eines Hündchens, das zu
einem großen Hund heranwachsen wird. Sein Körper wirkte nahezu unbehaart, denn
er war so bleich und seine Körperbehaarung so hell, dass sie kaum auf seiner
Haut zu sehen war.
»Kennen Sie meinen Mann?«, fragte
Hope ihn.
»Ich weiß, wann er zu Hause ist
und wann nicht«, sagte [554] Rath. »Moment!«, sagte er plötzlich, und Hope hielt
den Atem an. »Hören Sie? Das Kind macht sich nichts draus.« Nicky brabbelte
draußen vor der Schlafzimmertür feucht glucksend auf seinen Zwieback ein. Hope
weinte heftiger. Als Oren Rath sie anfasste, verlegen und schnell, glaubte sie,
sie sei so trocken, dass sie nicht einmal groß genug für seinen scheußlichen
Finger werden würde.
»Noch nicht, bitte«, sagte sie.
»Leg dich nicht mit mir an.«
»Nein, ich meine, ich könnte
Ihnen helfen«, sagte sie. Sie wollte, dass er so schnell wie möglich in sie
eindrang und wieder von ihr abließ; sie dachte an Nicky in dem Kinderstuhl im
Flur. »Ich meine, ich könnte es so machen, dass es besser geht«, sagte sie, aber
es klang nicht überzeugend; sie wusste nicht, wie sie sagen sollte, was sie
sagen wollte. Oren Rath grabschte nach einer ihrer Brüste. Da wusste sie, dass
er noch nie zuvor eine Brust angefasst hatte; seine Hand war so kalt, sie
zuckte zusammen. In seiner Ungeschicklichkeit stieß er mit der Schädeldecke
gegen ihren Mund.
»Nicht mit mir anlegen«, grunzte
er.
»Hope!«, rief jemand. Sie hörten
es beide und erstarrten. Oren Rath starrte auf die durchgeschnittene
Telefonschnur.
»Hope?«
Es war Margot, eine Nachbarin und
Freundin. Oren Rath setzte die kühle, flache Klinge seines Messers an Hopes
Brustwarze.
»Sie wird gleich hier
reinkommen«, flüsterte Hope. »Es ist eine Freundin von mir.«
[555] »Mein Gott, Nicky«, hörten sie
Margot sagen, »du verstreust ja dein Essen im ganzen Haus. Zieht deine Mutter
sich gerade an?«
»Dann muss ich euch beide ficken
und alle umbringen«, flüsterte Oren Rath.
Hope nahm seine Taille mit ihren
kräftigen Beinen in die Zange und drückte ihn mitsamt seinem Messer und allem
an ihre Brust. »Margot!«, schrie sie. »Nimm Nicky und lauf! Bitte! «,
schrie sie. »Hier ist ein Wahnsinniger, der uns alle umbringen wird! Nimm
Nicky, nimm Nicky!«
Oren Rath lag steif auf ihr, als
wäre es das erste Mal, dass man ihn an sich drückte. Er wehrte sich nicht, er
benutzte nicht sein Messer. Sie lagen beide starr da und horchten, wie Margot
Nicky durch den Flur und zur Küchentür hinaus schleifte. Ein Bein des
Kinderstuhls schlug gegen den Kühlschrank und brach ab, aber Margot blieb erst
stehen und zog Nicky erst aus dem Stuhl, als sie die Straße hinuntergelaufen
war und ihre Haustür auftrat.
»Töten Sie mich nicht«, flüsterte
Hope. »Gehen Sie schnell, dann wird man Sie nicht erwischen. Sie ruft gleich
die Polizei an.«
»Ziehen Sie sich an«, sagte Oren
Rath. »Ich habe Sie noch nicht gehabt, und ich will Sie haben.« Da, wo er sie
mit seiner ovalen Schädeldecke getroffen hatte, war ihre Lippe an den Zähnen
aufgerissen, so dass sie blutete. »Ich meine es ernst«, sagte er wieder, aber
mit unsicherer Stimme. Er war grobknochig und tolpatschig wie ein junger Stier.
Er zwang sie, ihr Kleid anzuziehen, ohne Unterwäsche, und dann stieß er sie
barfuß durch den Flur; seine Stiefel trug er unter dem Arm. Erst als sie neben
ihm in dem [556] Lieferwagen saß, merkte Hope, dass er eines von den Flanellhemden
ihres Mannes angezogen hatte.
»Margot hat sich wahrscheinlich
die Nummer dieses Wagens aufgeschrieben«, sagte sie zu ihm. Sie drehte den
Rückspiegel so, dass
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