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Garp und wie er die Welt sah

Garp und wie er die Welt sah

Titel: Garp und wie er die Welt sah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Vorstellungen von Garps Bedeutung (»das einzige Kind
der bekannten Feministin Jenny Fields«) und ein sentimentales Mitgefühl, das
Garps persönlicher Erfahrung galt (»unter tragischen Umständen seinen fünfjährigen
Sohn verlor«). Dass beide Informationen für die Kunst von Garps Roman ohne jeden Belang waren, ließ John Wolf ziemlich kalt. Garp
hatte John Wolf einen Stich versetzt mit seinem Gerede darüber, dass er lieber
reich als seriös sein wolle.
    »Es ist nicht Ihr bestes Buch«,
schrieb John Wolf an Garp, als er Garp die Fahnen zum Korrekturlesen schickte.
»Eines Tages werden Sie das auch wissen. Aber es wird Ihr größtes Buch werden: Warten Sie nur ab. Sie können sich noch nicht
vorstellen, wie sehr Sie viele der Gründe für Ihren Erfolg hassen werden,
deshalb rate ich Ihnen, das Land für einige Monate zu verlassen. Ich rate
Ihnen, nur die Rezensionen zu lesen, die ich Ihnen
schicke. Und wenn der Sturm sich gelegt hat – wie jeder Sturm sich einmal legt –, können Sie wieder nach Hause kommen und sich Ihre Riesenüberraschung bei der
Bank abholen. Und Sie können hoffen, dass Bensenhaver ein solcher Bestseller wird, dass die Leute auch Ihre beiden ersten Romane
lesen wollen – für die Sie es verdienten, bekannter
zu sein.
    Sagen Sie Helen, es tue mir leid, Garp, aber ich glaube, [633]  Sie sollten eines wissen:
Mir haben immer Ihre Interessen am Herzen gelegen. Wenn Sie dieses Buch verkaufen möchten, werden wir es verkaufen. ›Jedes
Geschäft ist ein beschissenes Geschäft‹, Garp. Ich zitiere Sie. «
    Garp war über den Brief sehr
verwirrt. John Wolf hatte ihm den Klappentext natürlich nicht gezeigt.
    »Wieso tut es Ihnen leid ?«, schrieb Garp zurück. »Weinen Sie nicht; verkaufen
Sie es einfach.«
    »Jedes Geschäft ist ein beschissenes
Geschäft«, wiederholte John Wolf.
    »Ich weiß, ich weiß «, sagte Garp.
    »Befolgen Sie meinen Rat«, sagte
Wolf.
    »Ich lese die Rezensionen gern«, protestierte Garp.
    »Nicht diese, das garantiere ich
Ihnen«, sagte John Wolf. »Machen Sie eine Reise. Bitte.« Dann schickte John
Wolf eine Kopie des Klappentexts an Jenny Fields. Er bat sie um
Verschwiegenheit und um ihre Hilfe, Garp zum Verlassen des Landes zu bewegen.
    »Verlass das Land«, sagte Jenny
zu ihrem Sohn. »Es ist das Beste, was du für dich und deine Familie tun
kannst.« Helen war ganz begeistert von der Idee; sie war noch nie im Ausland
gewesen. Duncan hatte die erste Geschichte seines Vaters, Die
Pension Grillparzer, gelesen, und er wollte nach Wien reisen.
    »Wien ist nicht wirklich so«, erklärte Garp Duncan, aber es rührte Garp
sehr, dass der Junge die alte Geschichte mochte. Garp mochte sie auch. Manchmal
wünschte er sich, er würde alles andere, was er geschrieben hatte, mindestens
halb so sehr mögen.
    »Warum nach Europa fahren, mit
einem neuen Kind?«, [634]  murrte Garp. »Ich weiß nicht. Es ist so kompliziert. Die
Reisepässe – und das Kind braucht lauter Spritzen und so.«
    »Du brauchst selbst ein paar
Spritzen«, sagte Jenny Fields. »Um das Kind brauchst du keine Angst zu haben.«
    »Möchtest du Wien nicht wiedersehen?«,
fragte Helen Garp.
    »Ah, stellen Sie sich doch mal
vor, der Schauplatz Ihrer alten Missetaten!«, sagte John Wolf in herzlichem
Ton.
    »Alte Missetaten?«, brummte Garp.
»Ich weiß nicht.«
    »Bitte, Dad«, sagte Duncan. Garp
wurde sofort weich, wenn Duncan etwas wollte; er willigte ein.
    Helen fasste Mut und warf sogar
einen Blick auf die Korrekturfahnen von Bensenhaver und wie
er die Welt sah, wenn es auch ein schneller nervöser Blick war und sie
nicht die Absicht hatte, richtig darin zu lesen. Als Erstes sah sie die
Widmung.
    Für
Jillsy Sloper
    »Wer um Himmels willen ist
Jillsy Sloper?«, fragte sie Garp.
    »Ich weiß es nicht, ehrlich«,
sagte Garp; Helen sah ihn stirnrunzelnd an. »Nein, ehrlich «,
sagte er. »Es ist eine Freundin von John; er sagte, sie habe das Buch gut
gefunden – und sie habe es nicht aus der Hand legen können. Für Wolf war es,
glaube ich, ein gutes Omen. Es war jedenfalls seine Idee«, sagte Garp. »Und ich fand sie hübsch.«
    »Hm«, sagte Helen; sie legte die
Fahnen beiseite.
    Schweigend stellten sie sich
beide John Wolfs Freundin [635]  vor. John Wolf war schon geschieden, als sie ihn
kennenlernten; die Garps hatten später zwar einige seiner erwachsenen Kinder
kennengelernt, aber nie seine erste und einzige Frau. Es hatte eine
überschaubare Anzahl von Freundinnen gegeben, alles kluge und

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