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Garp und wie er die Welt sah

Garp und wie er die Welt sah

Titel: Garp und wie er die Welt sah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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a-a-a-aufnehmen, Mom. Ich
werde kein einziges W-W-W-Wort schreiben.« Darüber lachten sie beide, und Jenny
Fields weinte sogar ein bisschen, aber das merkte nur Garp. Er küsste seine
Mutter zum Abschied. Roberta, deren Geschlechtsumwandlung sie zu einer
Dynamitküsserin gemacht hatte, küsste alle mehrere Male.
    »Jesus, Roberta«, sagte Garp.
    »Ich passe auf die alte Dame auf,
während du weg bist«, sagte Roberta, und ihr gewaltiger Arm machte Jenny, die
neben ihr unendlich klein und plötzlich sehr grau wirkte, zu einer
Liliputanerin.
    »Ich brauche niemanden, der auf
mich aufpasst«, sagte Jenny Fields.
    »Mom passt nämlich auf alle
anderen auf«, sagte Garp.
    Helen umarmte Jenny, weil sie
wusste, wie wahr das war. Vom Flugzeug aus konnten Garp und Duncan sehen, wie
Jenny und Roberta von der Aussichtsterrasse aus winkten. Mehrere Passagiere
hatten die Plätze getauscht, weil Duncan einen Fensterplatz an der linken Seite
des Flugzeugs haben wollte. »Die rechte Seite ist doch genauso schön«, sagte
eine Stewardess.
    »Aber nicht, wenn man kein
rechtes Auge hat«, erklärte Duncan ihr freundlich, und Garp bewunderte die
selbstverständliche Art des Jungen.
    Helen und das Baby saßen auf der
anderen Seite des Mittelgangs. »Kannst du Grandma sehen?«, fragte Helen Duncan.
    [639]  »Ja«, sagte Duncan.
    Obwohl plötzlich massenhaft Leute
auf die Aussichtsterrasse stürmten, um das Flugzeug starten zu sehen, fiel
Jenny Fields, so klein sie auch war, in ihrer weißen Uniform wie immer sofort
ins Auge. »Warum sieht Nana so groß aus?«, fragte Duncan Garp, und es stimmte:
Jenny Fields überragte die Menge um mehr als Haupteslänge. Garp erkannte, dass
Roberta seine Mutter hochhob, als wäre seine Mutter ein kleines Kind. »Oh, Roberta hält sie!«, rief Duncan. Garp blickte hinaus zu
seiner Mutter, die von den starken Armen des ehemaligen Linksaußen in die Luft
gestemmt wurde, damit sie ihm zum Abschied winken konnte. Jennys schüchternes,
zuversichtliches Lächeln rührte ihn, und er winkte ihr hinter dem Fenster zu,
obwohl er wusste, dass Jenny nicht ins Flugzeug hineinsehen konnte. Zum ersten
Mal fand er, dass seine Mutter alt aussah; er wandte den Blick ab – über den
Gang, zu Helen mit ihrem neuen Kind.
    »Jetzt ist es so weit«, sagte
Helen. Helen und Garp hielten einander über den Gang hinweg die Hand, als das
Flugzeug abhob, denn Helen, das wusste Garp, hatte schreckliche Angst vorm
Fliegen.
    In New York brachte John Wolf sie
in seiner Wohnung unter; er überließ Garp und Helen und der kleinen Jenny sein
eigenes Schlafzimmer und teilte großmütig das Gästezimmer mit Duncan.
    Die Erwachsenen aßen spät zu
Abend und tranken zu viel Cognac. Garp erzählte John Wolf von den drei nächsten
Romanen, die er schreiben wollte.
    »Der erste heißt Die Illusionen meines Vaters «, sagte [640]  Garp. »Er handelt
von einem idealistischen Vater, der viele Kinder hat. Er baut dauernd kleine
Utopias, in denen seine Kinder groß werden sollen, und als seine Kinder groß
geworden sind, gründet er kleine Colleges. Aber sie scheitern alle – die
Colleges und die Kinder. Der Vater versucht immer wieder, eine Rede vor der UNO zu halten, aber sie werfen ihn immer wieder
hinaus; es ist immer dieselbe Rede – er arbeitet sie immer wieder um. Dann
versucht er, ein kostenloses Krankenhaus zu leiten; es ist ein Desaster. Dann
versucht er, ein kostenloses, über ganz Amerika ausgedehntes Transportsystem zu
schaffen. Unterdessen lässt seine Frau sich von ihm scheiden, und seine Kinder
werden immer älter und sind unglücklich oder kaputt – oder einfach völlig
normal, ihr wisst schon. Das Einzige, was die Kinder gemeinsam haben, sind die
furchtbaren Erinnerungen an die Utopias, in denen ihr Vater sie groß werden
lassen wollte. Schließlich wird der Vater Gouverneur von Vermont.«
    »Vermont?«, fragte John Wolf.
    »Ja, Vermont«, sagte Garp. »Er
wird Gouverneur von Vermont, aber in Wirklichkeit hält er sich für einen König.
Noch ein Utopia, wie ihr seht.«
    »Der König von
Vermont!«, sagte John Wolf. »Das ist ein besserer Titel.«
    »Nein, nein«, sagte Garp. »Das
ist ein anderes Buch. Kein Zusammenhang. Das zweite Buch, nach Die Illusionen meines Vaters, soll Der
Tod Vermonts heißen.«
    »Dieselbe Besetzung?«, fragte
Helen.
    »Nein, nein«, sagte Garp. »Eine
andere Geschichte. Es handelt vom Tod Vermonts.«
    [641]  »Ich mag es, wenn etwas das
ist, was der Name besagt«, meinte John Wolf.
    »Eines Jahres

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