Garp und wie er die Welt sah
nervös nach seinen Haaren, als könnte er Dickie klarmachen, wie wichtig [753] sie
für ihn seien – dass er für etwas, das Dickie wie das simple Bedürfnis nach
einem Haarschnitt vorkommen musste, den ganzen Weg nach North Mountain, New
Hampshire, zu NANETTES SCHÖNHEITSSALON auf sich
genommen hatte.
»Er will eine Welle !«, rief Harriet. Dickie behielt seine rote Mütze auf, aber Garp
sah deutlich, dass der Mann eine Glatze hatte.
»Ich weiß nicht, was Sie wirklich wollen, Mann«, flüsterte Dickie Garp zu, »aber
mehr als eine Welle kriegen Sie nicht. Haben Sie gehört?«
»Ich habe kein Vertrauen zu
Friseuren«, sagte Garp.
»Ich hab kein Vertrauen zu Ihnen «, sagte Dickie.
»Dickie, er hat nichts gemacht«,
sagte Harriet Truckenmiller. Sie trug eine enge türkisgrüne Hose, die Garp an
seinen abgelegten Damenoverall erinnerte, und eine Bluse, die mit Blumen
bedruckt war, wie sie nie in New Hampshire wachsen. Ihre Haare waren mit einem
Tuch voller nicht dazu passender Pflanzen nach hinten gebunden, und sie hatte
sich das Gesicht zurechtgemacht, aber nicht zu grell; sie sah »nett« aus, wie
irgendeine Mutter, die bemüht war, auf sich zu achten. Garp tippte darauf, dass
sie einige Jahre jünger als Dickie war, aber nur wenige.
»Der will doch keine Welle, Harriet«, sagte Dickie. »Er will bestimmt nur, dass
jemand in seinen Haaren rumfummelt, hä?«
»Er hat kein Vertrauen zu
Friseuren«, sagte Harriet Truckenmiller. Einen winzigen Augenblick lang fragte
Garp sich, ob Dickie ebenfalls Friseur war; er glaubte es nicht.
»Ich möchte wirklich nicht
aufdringlich sein«, sagte [754] Garp. Er hatte alles gesehen, was er sehen musste;
er wollte nur noch fahren und die Fields Foundation anweisen, Harriet
Truckenmiller alles Geld zu geben, was sie brauchte. »Wenn ich irgendwie
störe«, sagte Garp, »lassen wir es eben sein.« Er langte nach seinem Parka, den
er auf einen freien Stuhl gelegt hatte, aber der große Hund bewachte den Parka
auf dem Fußboden.
»Bitte, Sie können bleiben«,
sagte Mrs. Truckenmiller. »Dickie passt nur ein bisschen auf mich auf.«
Dickie sah aus, als schämte er
sich; er stand mit dem einen riesigen Stiefel auf der Spitze des anderen da.
»Ich hab dir etwas trockenes Holz gebracht«, sagte er zu Harriet. »Ich glaub,
ich hätte klopfen sollen.« Er stand am Ofen und
schmollte.
»Bitte nicht, Dickie«, sagte Harriet zu ihm und küsste ihn freundschaftlich auf seine große
rosige Wange.
Er verließ die Küche mit einem
letzten finsteren Blick auf Garp. »Ich hoffe, Sie kriegen einen guten
Haarschnitt.«
»Danke«, sagte Garp. Als er
sprach, schüttelte der Hund seinen Parka.
»Aus!«, befahl Harriet dem Hund;
sie legte Garps Parka auf den Stuhl zurück. »Sie können gehen, wenn Sie
wollen«, sagte Harriet, »aber Dickie wird Sie nicht belästigen. Er passt nur
ein bisschen auf mich auf.«
»Ihr Mann?«, fragte Garp, obwohl
er daran zweifelte.
»Mein Mann war Kenny
Truckenmiller«, sagte Harriet. »Das wissen alle, und wer auch immer Sie sind,
Sie wissen bestimmt, wer Kenny Truckenmiller war.«
»Ja«, sagte Garp.
»Dickie ist mein Bruder. Er macht
sich nur Sorgen um [755] mich«, sagte Harriet. »Seit Kenny nicht mehr ist, haben
sich hier ein paar Kerle rumgetrieben.« Sie setzte sich an den hell
beleuchteten dreiteiligen Spiegel neben Garp und stützte ihre langen, geäderten
Hände auf die türkisgrünen Oberschenkel. Sie seufzte. Sie sah Garp nicht an,
als sie sprach.
»Ich weiß nicht, was Sie alles
gehört haben, und es ist mir auch egal«, sagte sie. »Ich mache Haare – nur Haare. Wenn Sie wirklich wollen, dass Ihre
Haare gemacht werden, mache ich sie. Aber das ist alles, was ich mache«, sagte
Harriet. »Ganz gleich, was man Ihnen erzählt hat, ich mache nicht rum. Nur Haare.«
»Nur Haare«, sagte Garp. »Ich
will nur, dass meine Haare gemacht werden, mehr nicht.«
»Das ist gut«, sagte sie, noch
immer, ohne ihn anzusehen.
Hinter den Spiegelleisten
steckten kleine Fotografien. Eine war ein Hochzeitsbild von der jungen Harriet
Truckenmiller und ihrem grienenden Ehemann Kenny. Sie säbelten ungeschickt an
einer Torte herum.
Ein anderes Foto zeigte eine
schwangere Harriet mit einem sehr kleinen Kind auf dem Arm; ein anderes Kind,
vielleicht in Walts Alter, lehnte die Wange an ihre Hüfte. Harriet sah müde
aus, aber nicht entmutigt. Und es gab eine Fotografie von Dickie; er stand
neben Kenny Truckenmiller, und sie standen beide neben einem
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