Garp und wie er die Welt sah
Wahnsinnswut auf
Ihre Mutter. Er hätte sich nie wieder eingekriegt, klar?«, sagte Dickie. »Von
Frauen hatte er einfach die Schnauze voll. Dem hat’s endgültig gelangt. Es war
so was von klar, der würde sich nie wieder einkriegen.«
»Eine schreckliche Sache«, sagte
Garp.
[759] »Auf Wiedersehen«, sagte
Dickie; er wandte sich wieder seinem Holzstapel zu. Garp ging zu seinem Auto,
zwischen den gefrorenen Haufen hindurch, mit denen der Hof übersät war. »Ihr
Haar sieht gut aus!«, rief Dickie ihm nach. Die Bemerkung klang aufrichtig. Dickie
spaltete wieder Blöcke, als Garp ihm vom Fahrersitz seines Autos zuwinkte.
Hinter dem Fenster von NANETTES SCHÖNHEITSSALON winkte Harriet
Truckenmiller Garp zu: Es war kein aufforderndes, kesses Winken, nichts
dergleichen, da war er sich ziemlich sicher. Er fuhr durch das Dorf North
Mountain zurück – er trank eine Tasse Kaffee in dem einzigen Schnellrestaurant,
tankte an der einzigen Tankstelle. Jedermann schaute auf sein schickes Haar. In
jedem Spiegel schaute Garp auf sein schickes Haar!
Dann fuhr er heim und kam rechtzeitig zur Feier an: Ellens erste
Veröffentlichung!
Wenn ihm bei der Neuigkeit so
unbehaglich zumute war wie Helen, so gab er es zumindest nicht zu. Er überstand
den Hummer, die Muscheln und den Champagner und wartete die ganze Zeit darauf,
dass Helen oder Duncan etwas zu seinen Haaren sagten. Erst als er abwusch,
reichte Ellen ihm einen durchnässten Zettel.
Warst Du
beim Friseur?
Er nickte gereizt.
»Mir gefällt’s nicht«, erklärte
Helen ihm im Bett.
»Ich find’s toll«, sagte Garp.
»Es passt nicht zu dir«, sagte
Helen; sie bemühte sich nach Kräften, es zu zerwühlen. »Es sieht aus wie die
Haare einer Leiche«, sagte sie im Dunkeln.
[760] »Einer Leiche!«, sagte Garp.
»Meine Güte.«
»Ein Leichnam, der im
Beerdigungsinstitut hergerichtet worden ist«, sagte Helen und fuhr ihm mit
beiden Händen wie wild durchs Haar. »Jedes Härchen liegt wie abgezirkelt«,
sagte sie. »Es ist zu perfekt. Du siehst gar nicht lebendig aus!«, sagte sie.
Dann weinte sie hemmungslos, und Garp hielt sie umarmt und flüsterte ihr ins
Ohr – versuchte herauszufinden, was los war.
Garp spürte nicht mit ihr den Sog – diesmal nicht –, und er redete und redete mit ihr und schlief mit ihr.
Endlich schlummerte sie ein.
Ellen James’ Essay Warum ich keine Ellen-Jamesianerin bin schien kein
unmittelbares Aufsehen zu erregen. Bei den meisten Leserbriefen dauert es eine
Weile, bis sie gedruckt werden.
Es kamen die zu erwartenden
persönlichen Briefe an Ellen James: Beileidsschreiben von Idioten, Anträge von
kranken Männern – den hässlichen, antifeministischen Tyrannen und
Frauenquälern, die, wovor Garp Ellen gewarnt hatte, sich auf ihrer Seite wähnten.
»Die Leute werden immer Partei
ergreifen«, sagte Garp, »bei allem.«
Doch es kam kein einziges Wort
von einer Ellen-Jamesianerin.
Garps erste Ringermannschaft
hatte bereits ein Saisonergebnis von acht zu zwei erzielt, als das
abschließende Turnier gegen ihren Erzrivalen, die bösen Buben von Bath,
näherrückte. Natürlich beruhte die Stärke der Mannschaft auf einigen sehr gut
trainierten Ringern, die Ernie Holm in [761] den letzten zwei oder drei Jahren
aufgebaut hatte, aber Garp hatte sie in Form gehalten. Er versuchte gerade, die
Siege und Niederlagen bei dem bevorstehenden Kampf gegen Bath Gewichtsklasse
für Gewichtsklasse vorauszuberechnen – während er in dem weitläufigen Haus, das
jetzt nur noch an die ersten Steerings erinnerte, am Küchentisch saß –, als
Ellen James ihn unter Tränen mit der neuen Ausgabe der Zeitschrift, die vor
einem Monat ihren Essay veröffentlicht hatte, überfiel.
Garp dachte sich, er hätte Ellen
auch vor Zeitschriften warnen sollen. Man hatte natürlich einen langen, als
Brief abgefassten Sermon veröffentlicht, den eine Reihe von
Ellen-Jamesianerinnen als Antwort auf Ellens mutige Aussage geschrieben hatten,
sie fühle sich von ihnen benutzt und lehne sie ab. Es war genau die Art
Kontroverse, wie Zeitschriften sie lieben. Ellen fühlte sich besonders von dem
Chefredakteur der Zeitschrift verraten, der den Ellen-Jamesianerinnen offenbar
verraten hatte, dass Ellen James jetzt mit dem berüchtigten T.S. Garp unter
einem Dach lebte.
Das war gefundenes Fressen für
die Ellen-Jamesianerinnen: Ellen James, das arme Kind, war von dem männlichen
Bösewicht Garp qua Gehirnwäsche zu ihrer antifeministischen Haltung gedrängt
worden. Der
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