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Garp und wie er die Welt sah

Garp und wie er die Welt sah

Titel: Garp und wie er die Welt sah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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getan – und nicht einmal für Ellen James. Du hast es
für die [765]  verdammten Ellen-Jamesianerinnen getan! Du hast es getan, um an sie ranzukommen. Und warum? Du liebe Güte, in einem Jahr hätte
sich kein Mensch mehr an sie erinnert – oder daran, warum sie das getan haben,
was sie getan haben. Sie waren eine Mode, eine
idiotische Mode, aber du konntest sie einfach nicht vorbeigehen lassen. Warum? «
    Aber er zog sich trotzig auf
seinen Standpunkt zurück, mit der vorhersehbaren Haltung eines Menschen, der recht gehabt hat – um jeden Preis. Und sich deshalb fragt,
ob er unrecht gehabt hat. Es war ein Gefühl, das ihn von allen – selbst von
Ellen – isolierte. Ellen war bereit, damit aufzuhören, ihr tat es leid, dass
sie damit angefangen hatte.
    »Aber sie haben angefangen«, insistierte Garp.
    In
Wirklichkeit nicht. Der erste Mann, der eine Frau vergewaltigte und versuchte,
ihr so weh zu tun, dass sie es niemandem sagen konnte – der hat angefangen,
    schrieb Ellen James.
    »Okay«, sagte Garp. »Okay, okay.«
Die traurige Wahrheit des Mädchens schmerzte. Hatte er sie nicht nur
verteidigen wollen?
    Die Ringermannschaft von Steering
seifte die Bath Academy im abschließenden Turnier der Saison ein und erzielte
so ein Gesamtergebnis von neun zu zwei, kam im Mannschaftswettbewerb von
Neuengland auf den zweiten Platz und stellte einen Einzelmeister, einen
75-Kilo-Mann, den Garp persönlich am meisten trainiert hatte. Aber die Saison
war vorbei; Garp, der Schriftsteller im Ruhestand, hatte wieder einmal zu viel
Zeit.
    [766]  Er traf sich oft mit Roberta.
Sie spielten endlose Partien Squash; dabei brachen in drei Monaten vier
Schläger und der kleine Finger von Garps linker Hand. Garp hatte einen
rücksichtslosen Backswing, der Robertas Nasenrücken neun Stiche einbrachte;
Roberta hatte seit ihrer Zeit als Eagle keine Stiche mehr bekommen, und sie
beklagte sich bitterlich. Bei einem Angriff quer über das ganze Spielfeld fügte
Robertas kräftiges Knie Garp eine Leistenverletzung zu, so dass er eine Woche
lang humpeln musste.
    »Also ehrlich, ihr beiden«,
erklärte Helen ihnen. »Warum brennt ihr nicht einfach miteinander durch und
habt eine feurige Affäre? Das wäre sicherer. «
    Aber sie waren die besten
Freunde, und wenn sich jemals – entweder bei Garp oder bei Roberta – ein
anderes Verlangen regte, machten sie sich schnell darüber lustig. Außerdem war
Robertas Liebesleben inzwischen generalstabsmäßig durchorganisiert; wie eine
geborene Frau hütete sie ihre Intimsphäre. Und sie genoss die Leitung der
Fields Foundation in Dog’s Head Harbor. Roberta reservierte ihr sexuelles Ich
für nicht seltene, aber nie ausschweifende Zwischenspiele in New York City, wo
sie eine konstante Zahl von Liebhabern für ihre spontanen Besuche und
Techtelmechtel an der Hand hatte. »Nur so kann ich es schaffen«, erklärte sie
Garp.
    »Es ist deiner sehr angemessen,
Roberta«, sagte Garp. »Nicht jeder hat das Glück – so eine Gewaltenteilung
praktizieren zu können.«
    Und so spielten sie weiter
Squash, und wenn das Wetter wärmer wurde, joggten sie auf den kurvenreichen
Straßen von Steering zum Meer. Auf der einen Straße war Dog’s [767]  Head Harbor
ganze zehn Kilometer von Steering entfernt; sie liefen oft vom Wohnsitz des
einen zu dem des anderen. Wenn Roberta ihren Unternehmungen in New York
nachging, lief Garp allein.
    Er war allein und näherte
sich der Mitte des Weges nach Dog’s Head Harbor – wo er umkehren und nach
Steering zurücklaufen wollte –, als der schmutzige Saab ihn überholte,
langsamer zu werden schien, dann vor ihm Gas gab und entschwand. Das war das
einzig Seltsame daran. Garp lief auf der linken Straßenseite, so dass er die
Autos sehen konnte, die besonders dicht an ihm vorbeikamen; der Saab hatte ihn
rechts, auf der korrekten Fahrspur, überholt – ganz normal.
    Garp dachte gerade über einen
Termin in Dog’s Head Harbor nach, den er zugesagt hatte. Roberta hatte ihn zu
einer Lesung vor den Stipendiatinnen der Fields Foundation und ihren
persönlichen Gästen überredet; er war schließlich der Vorsitzende des Beirats –
und Roberta veranstaltete oft kleine Konzerte und Dichterlesungen und so fort –, aber Garp war voller Argwohn. Er hatte etwas gegen Lesungen – und besonders
jetzt, vor Frauen; sein Ausfall gegen die Ellen-Jamesianerinnen hatte so viele
Frauen verletzt. Die meisten seriösen Frauen stimmten natürlich mit ihm
überein, aber die meisten von ihnen waren

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