Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Garp und wie er die Welt sah

Garp und wie er die Welt sah

Titel: Garp und wie er die Welt sah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
Vom Netzwerk:
Zungenküsserin: gekonnt drückte sie
ihre harten kleinen Zähne gegen seine.
    Noch in diesem Stadium
aufrichtig, versuchte Garp, ihr zuzumurmeln, dass er ihren Vater für einen
Idioten hielt.
    [143]  »Natürlich ist er das«,
stimmte Cushie zu. »Deine Mutter ist aber auch ein bisschen seltsam, findest du
nicht?«
    Na ja, da konnte Garp ihr nicht
widersprechen. »Aber ich mag sie trotzdem«, sagte er, selbst in diesem
Augenblick der treueste aller Söhne.
    »Oh, ich mag sie auch«, sagte
Cushie. Damit war alles Nötige gesagt, und Cushie zog sich aus. Garp zog sich
ebenfalls aus, aber mittendrin fragte sie ihn plötzlich: »Los, wo ist es?«
    Garp geriet in Panik. Wo war was ? Er hatte gedacht, sie habe es in der Hand.
    »Wo ist dein Ding ?«, fragte Cushie fordernd und zog an dem, was Garp für sein Ding hielt.
    »Was denn?«, sagte Garp.
    »Oh, wow, hast du etwa keins
mitgebracht?«, fragte Cushie ihn. Garp fragte sich, was er hätte mitbringen
sollen.
    »Was denn?«, sagte er.
    »O Garp, hast du kein Gummi
dabei?«
    Zerknirscht blickte er sie an. Er
war nur ein Junge, der sein Leben lang bei seiner Mutter gelebt hatte, und das
einzige Gummi, das er je gesehen hatte, war über die Türklinke ihrer Wohnung im
Nebengebäude der Krankenstation gezogen worden, wahrscheinlich von einem
boshaften Jungen namens Meckler, der inzwischen längst die Abschlussprüfung
gemacht hatte und mit seiner Selbstzerstörung beschäftigt war.
    Trotzdem hätte Garp es wissen
müssen: Er hatte natürlich viele Gespräche über Gummis gehört.
    »Komm her«, sagte Cushie und
führte ihn zu den [144]  Kanonen. »Du hast es noch nie gemacht, oder?«, fragte sie
ihn. Er schüttelte den Kopf, aufrichtig bis in sein verzagtes Herz hinein. »O
Garp«, sagte sie. »Wenn du nicht so ein alter Freund von mir wärst –« Sie
lächelte ihn an, aber er wusste, sie würde es ihn jetzt nicht machen lassen.
Sie deutete auf die Mündung der mittleren Kanone. »Sieh hinein«, sagte sie. Er
sah hinein. Ein juwelenartiges Funkeln von Glassplittern – wie die winzigen
Kiesel eines tropischen Strandes, stellte er sich vor; und noch etwas anderes –
weniger Erfreuliches. »Gummis«, erklärte ihm Cushie.
    Die Kanone war voll mit alten
Kondomen. Hunderte von Verhütungen! Eine Schau verhinderter Fortpflanzung. Wie
Hunde ihre Reviergrenzen mit Urin markieren, so hatten die Jungen von der
Steering School ihr Sperma in der Mündung der Mammutkanone hinterlassen, die
den Steering River bewachte. Die moderne Welt hatte ein weiteres historisches
Wahrzeichen befleckt.
    Cushie zog sich wieder an. »Du
weißt aber auch gar nichts«, neckte sie ihn. »Worüber willst du eigentlich
schreiben?« Er hatte bereits vermutet, dies würde noch einige Jahre ein Problem
sein – ein Haken in seinen Plänen.
    Er wollte sich gerade anziehen,
aber sie bat ihn, sich hinzulegen, damit sie ihn betrachten könne. »Du bist
schön«, sagte sie. »Und mach dir nichts draus.« Sie küsste ihn.
    »Ich kann Gummis holen«, sagte
er. »Das dauert doch nicht lang, oder? Und wir könnten zurückkommen.«
    »Mein Zug geht um fünf«, sagte
Cushie und lächelte mitfühlend.
    »Ich dachte, du müsstest nicht zu
einer bestimmten Uhrzeit zurück sein«, sagte Garp.
    [145]  »Wieso? Selbst in Dibbs gibt
es ein paar Vorschriften«, erwiderte Cushie, pikiert über den schlechten Ruf
ihrer Schule. »Und außerdem«, sagte sie, »triffst du dich mit Helen. Es stimmt
doch, oder?«
    »Aber nicht so«, gab er zu.
    »Garp, du solltest nicht allen
Leuten alles erzählen«, sagte Cushie.
    Das war auch ein Problem beim
Schreiben – Mr. Tinch hatte ihn auch schon darauf hingewiesen.
    »Du bist immer viel zu ernst«,
sagte Cushie. Endlich war sie einmal in der Lage, ihm eine Lektion zu erteilen.
    Auf dem Fluss unter ihnen glitt
ein Rennachter durch die verbliebene schmale Wasserrinne in dem Blinddarm und ruderte
auf das Bootshaus von Steering zu, ehe die Ebbe kam und das Wasser nicht mehr
für die Rückfahrt reichte.
    Dann sahen Garp und Cushie den
Golfspieler. Er war durch das Sumpfgras auf der anderen Seite des Flusses
heruntergekommen, hatte seine violette Hose bis über die Knie hochgekrempelt
und watete nun in die Schlammlachen, wo das Wasser bereits ablief. Vor ihm, auf
den tiefergelegenen Schlammlachen, schwamm sein Golfball, vielleicht zwei Meter
vom Rand des noch vorhandenen Wassers entfernt. Der Golfspieler stelzte
vorsichtig weiter, aber der Schlamm reichte ihm jetzt schon bis über die

Weitere Kostenlose Bücher