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Garp und wie er die Welt sah

Garp und wie er die Welt sah

Titel: Garp und wie er die Welt sah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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tatenlos zusieht, wie die Dinge sich entwickeln –, versucht die Mutter, es ihrem Sohn gleichzutun, und befreit die Tiere im
Schönbrunner Zoo. Aber die Tiere sind jetzt wohlgenährt und zufrieden; nur
einige wenige lassen sich dazu bewegen, ihren Käfig zu verlassen – und bleiben
dann brav auf den Wegen und in den Gärten von Schönbrunn; schließlich landen
sie wohlbehalten wieder in ihren Käfigen. Ein älterer Bär bekommt plötzlich
Durchfall. Der Befreiungsversuch der alten Frau ist gut gemeint, aber völlig
bedeutungslos und wird kaum wahrgenommen. Bei der Festnahme der alten Frau
diagnostiziert der Polizeiarzt Krebs – ein unheilbarer Fall.
    Ihr jahrelang gehortetes Geld ist
ihr schließlich und ironischerweise doch von einem gewissen Nutzen – in Wiens
einziger Privatklinik, dem Rudolfinerhaus. Kurz vor ihrem Tod träumt die alte
Frau, dass einem Tierpärchen – zwei jungen asiatischen Schwarzbären – die
Flucht aus dem Zoo gelingt und sie sich so erfolgreich vermehren, dass sie als
neue Bärenart im Donautal heimisch werden.
    Aber das geschieht nur in ihrer
Phantasie. Der Roman endet mit dem Tod der alten Frau und des von Durchfall
geplagten Zoobären. »So viel zu Revolutionen in modernen Zeiten«, schrieb ein
Rezensent, der mit den Worten schloss, Zaudern sei
»ein antimarxistischer Roman«.
    Der Roman wurde als »besonders
gut recherchiert« gerühmt – ein Punkt, der Garp nicht sonderlich interessierte. [274]  Außerdem wurden seine Originalität und seine für den Erstling eines so
jungen Autors ungewöhnliche Bandbreite hervorgehoben. John Wolf hatte ihn
verlegt, und obwohl er sich mit Garp darauf geeinigt hatte, im Klappentext zu unterschlagen, dass es sich um das Debüt des Sohnes der
feministischen Heroine Jenny Fields handle, gab es nur wenige Kritiker, die
nicht darauf Bezug nahmen.
    »Es ist erstaunlich, dass der
inzwischen berühmte Sohn von Jenny Fields«, schrieb einer, »tatsächlich das
geworden ist, was er von Anfang an werden wollte.« Dies und andere irrelevante
Scharfsinnigkeiten über seine Verwandtschaft mit Jenny machten Garp sehr
zornig. Konnte man sein Buch denn nicht um seiner eigenen Fehler und Meriten
willen lesen und rezensieren? John Wolf fiel die undankbare Aufgabe zu, Garp
klarzumachen, dass die meisten Leser sich wahrscheinlich mehr für seine Person
als für sein Buch interessierten.
    »Der junge Mr. Garp schreibt
immer noch über Bären«, schalt ein Schöngeist, der keine Mühe gescheut hatte,
um die Grillparzer -Geschichte in der obskuren
Zeitschrift auszugraben, in der sie zuerst erschienen war. »Wenn er mal groß
ist, wird er vielleicht etwas über Menschen schreiben.«
    Aber alles in allem erregte sein
literarisches Debüt überdurchschnittliches Aufsehen. Es wurde natürlich kein
Bestseller, und der Name T.S. Garp war bis auf weiteres niemandem ein Begriff,
jedenfalls keine »Marke« wie seine Mutter, deren Buch als so unverzichtbar galt
wie Brot und Seife. Zaudern gehörte nun einmal nicht
zu dieser Sorte Bücher und Garp nicht zu dieser Sorte Schriftsteller und würde
es wohl auch nie, sagte John Wolf.
    [275]  »Was haben Sie denn
erwartet?«, schrieb ihm Wolf. »Wenn Sie reich und berühmt werden wollen, müssen
Sie einen anderen Kurs einschlagen. Als Verfasser ernster Literatur sollten Sie
sich nicht beklagen. Sie haben ein ernstes Buch geschrieben, es ist angemessen
herausgebracht worden. Aber wenn Sie vom Schreiben leben wollen, müssen Sie sich umorientieren. Und vergessen Sie nicht: Sie sind erst
vierundzwanzig, da werden Sie noch viele weitere Bücher schreiben.«
    John Wolf war ein ehrenwerter und
intelligenter Mann, aber Garp hatte Vorbehalte – und er war nicht zufrieden.
Sein Erstling hatte ihm ein bisschen Geld eingebracht, und inzwischen verdiente
auch Helen; jetzt, wo er Jennys Geld nicht mehr unbedingt brauchte, fand er es ganz in Ordnung, etwas davon anzunehmen, da sie es
ohnehin zum Fenster hinauswarf. Außerdem fand er, habe er noch eine andere
Belohnung verdient: Er bat Helen, ein zweites Kind zu bekommen. Duncan war vier – alt genug, um sich über einen Bruder oder eine Schwester zu freuen. Helen war
einverstanden, zumal Garp es ihr bei Duncan sehr leichtgemacht hatte. Wenn er
zwischen den einzelnen Kapiteln seines nächsten Buches Windeln wechseln wollte,
war das seine Sache.
    Aber in Wirklichkeit steckte bei
Garp mehr dahinter als nur der Wunsch nach einem zweiten Kind. Er war sich
bewusst, dass er ein übervorsichtiger,

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