Garten des Lebens
ist nur …”
“Was?”
Chrissie seufzte hörbar auf. “Ich glaube, Dad ist nicht gerade glücklich darüber, dass ich mich heimlich fortgeschlichen habe.”
Das war ohne Zweifel eine ziemlich genaue Einschätzung der Empfindungen, die Joe im Moment durchlebte. Susannah ging davon aus, dass einige der Mitteilungen auf dem Anrufbeantworter von ihm stammten. “Mach dir keine Sorgen. Ich werde mit ihm reden.” Sie wandte sich ihrer Tochter zu. “Und von dir erwarte ich, dass du, wenn du schon mal hier bist, mit anpackst.”
“Sicher.” Chrissie lächelte ihr erschöpft zu. “Danke, Mom, du bist die Beste.”
Das Traurige an der Geschichte war, dass Susannah nicht das Gefühl hatte, die “Beste” zu sein. Sie hatte nicht einmal das Gefühl, gut zu sein. Sie war mit Sicherheit keine gute Tochter oder Ehefrau. Und sie war auch keine gute Mutter …
14. KAPITEL
V ivian war sehr erfreut, als ihre Enkeltochter am nächsten Morgen zu Besuch kam. Sie hatte ihr Frühstück stehen gelassen – die Eier waren kalt und der Speck so fettig, dass sie nur einen kleinen Bissen davon nehmen konnte.
Nun machte sie sich gerade fertig, um draußen im Garten zu arbeiten. Nicht in ihrem eigenen Garten, erinnerte sie sich. Sie wohnte ja nicht mehr zu Hause. Für einen Moment schien der Schmerz des Verlustes sie zu überwältigen. Doch dann klopfte es an der Tür und Susannah und Chrissie kamen herein.
“Hi, Grandma.”
Vivians Gedächtnis hatte sie in der letzten Zeit so oft im Stich gelassen. Unsicher fragte sie: “Wusste ich, dass du zu mir kommst?”
“Nein, Grandma, es ist eine Überraschung.”
Glücklich nahm sie ihre Enkeltochter in die Arme und war erstaunt, wie groß Chrissie seit ihrem letzten Besuch geworden war. Wann war das gewesen? Vor drei oder vier Jahren? “So eine wunderschöne junge Frau”, murmelte sie, hielt Chrissies Gesicht in den Händen und betrachtete das Mädchen, das sie so sehr liebte. Aber ihre Enkelin war kein Mädchen mehr, sie war eine Frau. Diese Erkenntnis traf sie wie ein Schlag. “Du siehst wundervoll aus.”
“Du auch.” Chrissie legte ganz vorsichtig die Arme um ihre Großmutter, so als hätte sie Angst, sie zu zerbrechen. Vivian wusste nicht, dass sie so zart wirkte. Doch sie war es. Sie hatte sich verändert, war schwächer geworden. Gebrechlich. Was für furchtbare Wörter.
“Ich kann meine Gartenhandschuhe nicht finden.” Vivian runzelte verärgert die Stirn. Die Angst, bestohlen zu werden, war einer der Gründe gewesen, warum sie ein Altersheim immer abgelehnt hatte. Den Angestellten konnte man nicht vertrauen – sogar Martha, die jahrelang für sie gearbeitet hatte, war eine Diebin gewesen. Offensichtlich hatte jemand ihre Gartenhandschuhe entwendet. Es waren ihre Lieblingshandschuhe, die sie oft und gern benutzte. Warum sie jemand stehlen sollte, erschloss sich ihr nicht.
“Mutter, wozu brauchst du Gartenhandschuhe?”, fragte Susannah.
So sehr sie ihre Tochter liebte – Susannah konnte Vivian schneller auf die Palme bringen als sonst jemand. Seit sie an diesem Morgen angekommen war, hatte Susannah ihre Geduld strapaziert. “Damit ich meine Rosen beschneiden kann, natürlich”, erwiderte Vivian langsam und ganz betont.
Susannah antwortete genauso langsam und betont: “Mutter, deine Rosen sind doch nicht hier, sondern beim alten Haus.”
“Das
weiß
ich.” Und das tat sie auch. Sie erinnerte sich ganz genau, wo die Rosen standen.
Susannah warf Chrissie einen Blick zu. “Aber du bist
hier.”
“Meine Rosen müssen beschnitten werden, und ich bin entschlossen, das auch zu tun.” Vivian ließ niemanden auch nur in die Nähe ihrer Rosen, vor allem nicht Rachel Henderson. Ihre Nachbarin war nicht vertrauenswürdiger als alle anderen.
Susannah und Chrissie tauschten abermals einen Blick, den Vivian jedoch nicht deuten konnte.
“Ich könnte Grandma zum Haus begleiten”, schlug Chrissie vor, “dann kann sie im Garten arbeiten.”
“Würde dir das gefallen, Mom?”
Das war die lächerlichste Frage, die Susannah ihr jemals gestellt hatte. “Natürlich würde mir das gefallen.”
“Okay, Grandma, dann holen wir dir noch schnell eine Strickjacke.”
“Und was ist mit meinen Gartenhandschuhen?” Offenbar wollten Susannah und Chrissie die Tatsache, dass jemand an diesem furchtbaren Ort ihre geliebten Handschuhe gestohlen hatte, einfach unter den Tisch fallen lassen.
“Sie sind im alten Haus, Mom, auf der hinteren Veranda. Und die Gartenschere
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