Garten des Lebens
ist in der Garage.”
“Ich
weiß
, wo die Schere ist.” Sie wollte eigentlich nicht ungeduldig klingen, aber manchmal behandelte Susannah sie, als sei sie nicht ganz bei Sinnen. Sicher, sie hatte ab und zu einige Probleme mit ihrem Gedächtnis, doch das hieß nicht, dass sie unfähig und hilfsbedürftig war.
“Ich hole meinen Schmuck.”
Susannah und Chrissie blickten sich ungläubig an.
“Ihr glaubt doch nicht, dass ich ihn in diesem Zimmer lasse, in das jeder nach Belieben ein und aus gehen kann?”
“Mom …”, Susannah wirkte, als wolle sie zu einer Erwiderung ansetzen, doch sie verkniff es sich.
Vivian holte ihre braune Handtasche, in der sie ihre Lieblingskette aufbewahrte, und schob die Träger über ihren Arm. Dann zog sie die Strickjacke an – ihr war oft kalt – und griff nach der roten Tasche für jeden Tag.
“Wenn ich mit den Rosen fertig bin, führe ich euch beide zum Essen aus. Auf meine Kosten natürlich.” Wenn sie noch länger hierblieb, würde sie womöglich verhungern. In ihrem ganzen Leben hatte Vivian noch nicht so fades Essen gekostet. Diese Leute kannten den Segen eines Salzstreuers oder eines Gewürzregals offenbar nicht.
Sie schloss ihr Apartment ab, überprüfte dreimal den Türgriff, und schließlich gingen die drei gemeinsam den Flur entlang. Susannah hielt noch einmal am Empfangstresen an, wo Rose gerade Dienst hatte. Glücklicherweise trugen die Angestellten der Einrichtung Namensschilder. Vivian wünschte, dass alle solche Schilder tragen würden. Es würde ihr helfen, sich auch die Namen der Bewohner zu merken. Einige von ihnen hatten sich ihr vorgestellt, aber sie konnte sich nicht einen einzigen Namen merken. Ja, jeder hier sollte ein Namensschild tragen.
Als sie das Haus in der Chestnut Avenue betraten, war Vivian erschüttert. Möbel waren verrückt worden und Teller standen gestapelt auf der Küchenanrichte. Draußen im Garten erlitt Vivian einen weiteren Schreck. “Jemand war in meinem Garten!”, stieß sie hervor. Die Rosen waren bereits beschnitten, und kein einziges Unkraut war zu entdecken. Alles war hochgebunden und perfekt gestutzt. Für sie gab es praktisch nichts mehr zu tun. Jemand war in ihrem Garten gewesen, und es konnte nur Rachel, ihre Nachbarin, gewesen sein.
“Mutter”, sagte Susannah und legte einen Arm um Vivians Schultern. “Der Garten sieht zauberhaft aus.”
“Ja, das stimmt”, murmelte Vivian. Sie bemerkte den besonderen Ton, den ihre Tochter anschlug, wenn sie mit ihr redete – und sie mochte diesen Tonfall nicht. Allein, wie Susannah das Wort 'Mutter' aussprach, machte deutlich, dass Susannah glaubte, mit Vivian würde etwas nicht stimmen.
Kurze Zeit später ging Susannah ins Haus, wahrscheinlich, um mit ihrem kleinen Telefon ein paar Gespräche zu führen. Vivian schüttelte voller Verzweiflung den Kopf – Susannah brachte alles durcheinander. Mit Sicherheit hatte sie ihrer Tochter beigebracht, einen Haushalt
besser
zu führen, als Susannah es jetzt hier tat. Doch um des lieben Friedens willen schwieg Vivian.
Sie war sich nicht sicher, wie lange sie mit Chrissie im Garten beschäftigt war, alles begutachtete, einige einjährige Pflanzen entfernte. Wann hatte sie diese Begonien gepflanzt? Sie konnte sich nicht erinnern. Vivian bemerkte, dass Rachel Henderson ein paar Mal durchs Fenster spähte, doch sie versuchte, sie zu ignorieren. Sobald diese Wichtigtuerin ihre Nase aus der Tür steckte, wollte Vivian ihr sagen, dass sie sich von ihrem Garten fernhalten solle, sonst würde sie die Polizei alarmieren.
“Ich habe Hunger”, sagte Vivian nach einer Weile. Es war das erste Mal, seit ihre Tochter sie in diese gottvergessene Einrichtung gesteckt hatte, dass Vivian richtigen Hunger verspürte. Es fühlte sich gut an. Meistens war Vivian appetitlos, hatte kein Interesse am Essen, obwohl der Kochkanal mit Abstand das beste Fernsehprogramm war.
“Ich könnte auch ein Mittagessen vertragen”, stimmte Chrissie zu und streckte sich.
Jetzt mussten sie nur noch Susannah holen. Vivian wusste, wohin sie zum Essen gehen wollte.
Le Gourmand
hatte in Colville neu eröffnet, und Vivian hatte gehört, dass es dort einen unglaublich guten Hühnchensalat gab. Bereits bei dem Gedanken daran lief ihr das Wasser im Munde zusammen. Sie vermisste es, zum Essen auszugehen. Oft hatte sie sich mit ihren beiden besten Freundinnen, Barbara und June, in einem Restaurant getroffen, aber sie waren inzwischen verstorben – Friede ihren Seelen. Und
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