Garten des Lebens
auch Georges Seele.
“Man kann auch draußen sitzen”, erklärte Vivian, während Susannah ihr die Autotür aufhielt.
“Wo kann man auch draußen sitzen, Mutter?”
“Im
Le Gourmand.”
“Möchtest du dort essen?”
Dummes Mädchen. Sie hatte es doch schon gesagt. Manchmal war Vivian sich sicher, dass Susannah ihr nicht zuhörte. “Ja. Es ist so ein schöner Nachmittag. Lass uns draußen essen.”
“Das klingt gut”, sagte Susannah und half ihrer Mutter auf den Beifahrersitz.
Vivian kämpfte mit dem Sicherheitsgurt. Die Autohersteller bauten sie heutzutage so ein, dass man sie kaum erreichen konnte. Vivian hätte ein Schlangenmensch sein müssen, um ihn zu erhaschen. Dankbar lächelte sie Chrissie an, als sie ihr den Gurt reichte.
“Das Restaurant ist neu, aber offenbar ist ihr Hühnchensalat exzellent. Sie machen ihn mit gehackten Walnüssen.”
“
Le Gourmand
gibt es seit zehn Jahren”, sagte Susannah.
“Ja, das weiß ich.” Sie boten gutes Mittagessen an, hatten aber keine Abendkarte.
Glücklicherweise gab es noch viele freie Tische auf der Terrasse. Sie suchten sich einen kleinen runden Tisch aus und Susannah ging hinein, um die Bestellung aufzugeben. Vivian erinnerte sich daran, dass sie ihre Tochter und Enkeltochter zum Essen einladen wollte, aber plötzlich konnte sie ihre Tasche nicht mehr finden. Sie drehte sich auf ihrem Stuhl um, und ihr Herz klopfte bis zum Hals. George wäre außer sich, wenn sie die Perlen verlöre.
“Stimmt was nicht, Grandma?”, fragte Chrissie.
“Ich weiß nicht, wo meine Tasche ist.”
Chrissie beugte sich vor und sagte leise: “Sie ist auf deinem Schoß, Grandma.”
Erleichtert blickte Vivian hinunter. Ihre rote Tasche lag auf ihrem Schoß, friedlich wie ein schlafendes Kätzchen.
“Deine braune Tasche mit dem Schmuck ist im Kofferraum des Wagens, erinnerst du dich?”
Tatsächlich war ihr das entfallen. Sie war dankbar für Chrissies Hilfe, obwohl sie sich wünschte, ihre Enkeltochter hätte diese Information nicht mit der ganzen Welt geteilt.
“Mom kommt.”
Susannah setzte sich zu ihnen. Vivian war dankbar, dass ein Schirm das grelle Sonnenlicht abhielt.
“Das Essen wird gleich kommen.”
“Hast du an meinen Tee gedacht?”, fragte Vivian, doch ihre Worte gingen im Motorenlärm eines Trucks unter, der auf der Straße neben der Terrasse vor einer roten Ampel zum Stehen kam. Die Fenster des Trucks waren heruntergelassen, und ein junger Mann warf ihnen vom Fahrersitz einen Blick zu. Er trug lange braune Haare, die lässig in sein sonnengebräuntes, unrasiertes Gesicht fielen. Sein muskulöser Arm hing betont cool aus dem Fenster. Offensichtlich hatte er es nicht für nötig befunden, ein anständiges T-Shirt anzuziehen. Stattdessen trug er ein ärmelloses Hemd. Vivian musterte ihn abschätzig und bemerkte, wie er Chrissie eindeutige Blicke zuwarf. Dieser Flirt war unangebracht, und sie wollte Chrissie gerade warnen. Doch ihre Enkeltochter schien die Aufmerksamkeit zu genießen.
Er nickte in Chrissies Richtung und wollte ihr etwas zurufen. Aber ein Blick auf Vivians grimmiges Gesicht ließ ihn schweigen. Entsetzt sah sie, dass Chrissie ihm zulächelte und zurücknickte. Dann sprang die Ampel auf Grün, und der junge Mann setzte den Truck mit viel Lärm und einer enormen Abgaswolke wieder in Bewegung.
Vivian hatte ihn nicht gleich erkannt, doch in dem Moment, als er sie ansah, fiel es ihr wieder ein. Es war Troy Nance, ein stadtbekannter Unruhestifter.
“Wer war das, Grandma?”, fragte Chrissie.
Sie zögerte, fragte sich, ob sie ihrer Enkeltochter von ihm erzählen sollte. Doch schließlich entschied sie sich dazu, Chrissie zu antworten. Susannahs Tochter war eine vernünftige junge Frau und würde sicherlich erkennen, dass Troy ein absolut inakzeptabler Typ war.
“Er ist der Sohn eines Mädchens, mit dem du damals zusammen zur Schule gegangen bist, Susannah”, sagte Vivian an ihre Tochter gewandt.
“Ich bin mit vielen Mädchen zusammen zur Schule gegangen, Mom.”
“Ich kann mich nicht an den Namen erinnern.”
“Wie heißt er?”, wollte Chrissie wissen.
“Troy Nance.”
“Sharon Nances Sohn?”
“Ja.” Natürlich. Sharon war nicht verheiratet, also trugen sie und ihr Sohn denselben Nachnamen. Obwohl sie mittlerweile vielleicht anders hieß … Vivian schüttelte den Kopf. Sie konnte sich nicht daran erinnern, wer der Vater von Sharons Kind war. Wer auch immer es gewesen sein mochte, er war schnell von der Bildfläche
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