Garten des Lebens
zugenommen, und ihr schönes kastanienbraunes Haar war ergraut. Aber Patricia freute sich, Susannah wiederzusehen und führte sie auf die Terrasse ihres Hauses.
“Ich kann dir gar nicht sagen, wie überrascht ich war, von dir zu hören”, begann Patricia, während sie einen Stuhl für Susannah heranzog. Auf dem Kiefernholztisch lag eine rot karierte Decke. Zwei Gläser und ein großer Krug mit Limonade standen auf einem Tablett. Außerdem entdeckte Susannah einen Teller mit ofenwarmen Hafermehlkeksen. Die Terrasse war umsäumt von üppigen Pflanzen, unter anderem Hornstrauch, Flieder und blühenden Lilien, Pfingstrosen und Rosen. Ein großer Gemüsegarten nahm einen Teil des Hinterhofes ein.
Am Telefon hatte Susannah erfahren, dass Patricia als Krankenschwester gearbeitet hatte, inzwischen aber im Ruhestand war.
“Du hast wirklich einen grünen Daumen”, bemerkte Susannah und sah sich um. Die Fülle an frischen blühenden Blumen ließ ihr Herz höher schlagen. Wer auch immer Dougs Grab besuchte, hatte ebenfalls ein Händchen für Blumen.
Susannah wunderte sich, dass sie nicht sofort auf Patricia gekommen war. Sie und Doug waren zusammen gewesen, seit Patricia in der zehnten Klasse der Highschool war. Der zwei Jahre ältere Doug hatte damals gerade die Schule abgeschlossen und arbeitete als Zimmermann für ein in der Stadt ansässiges Bauunternehmen. Es war die Zeit des Vietnamkrieges, und wenn Doug nicht bei dem Autounfall ums Leben gekommen wäre, hätte man ihn wahrscheinlich eingezogen. Susannah erinnerte sich an die Gespräche zwischen Vater und Sohn über den Krieg. George war enttäuscht darüber gewesen, dass Doug nicht studieren wollte, sondern vorhatte, sich freiwillig zu melden. Ihr Vater hatte darauf bestanden, dass er wartete, bis er eingezogen würde. Wenn Doug sich tatsächlich freiwillig für den Dienst an der Waffe gemeldet hätte, würde er vielleicht noch leben – das nannte man wohl Ironie des Schicksals.
“Eigentlich ist Tom derjenige mit dem grünen Daumen”, gab Patricia zu und riss Susannah damit aus ihren Gedanken. Sie setzte sich neben sie und schenkte ihnen beiden ein Glas Limonade ein. Während sie Susannah ihr Glas reichte, sagte sie: “Ich habe vom Tod deines Vaters gehört. Es tut mir leid.”
Susannah senkte den Blick und nickte. “Es kam so plötzlich.”
“Wie geht es deiner Mutter?”
“Den Umständen entsprechend gut. Sie ist in einer Einrichtung für betreutes Wohnen – aber im Moment hat sie noch ein paar Schwierigkeiten, sich einzuleben. Ich bin mir jedoch sicher, dass sie sich schon daran gewöhnen wird.”
“Bedien dich”, sagte Patricia, beugte sich vor und deutete auf den Teller mit den frisch gebackenen Keksen. Susannah schüttelte lächelnd den Kopf.
“Ich denke, du bist nicht um der alten Zeiten willen zu Besuch gekommen, hab ich recht?”, sagte Patricia.
Susannah war dankbar, dass sie nicht erst Small Talk machen musste, um dann auf ihren Bruder zu sprechen zu kommen. “Wenn ich mich recht erinnere, bist du mit Doug ausgegangen.”
Ein trauriger, abwesender Ausdruck war in Patricias Augen getreten. “Dein Bruder war meine erste große Liebe”, sagte sie leise. “Es brach mir das Herz, als er starb.”
“Ich war neulich an Dougs Grab”, fuhr Susannah fort, stellte ihr Glas auf den Kiefernholztisch und musterte Patricia. “Es lagen frische Blumen auf seinem Grab.” Sie betrachtete den Garten, wobei sie die Rosen besonders musterte. “Weißt du etwas darüber?”
“Nein”, entgegnete Patricia. “Nur am Volkstrauertag gehe ich zum Calvary-Friedhof. Tom und ich legen dann Blumen auf die Gräber unserer Eltern.”
“Also hast du keine Blumen auf Dougs Grab gelegt?”
Patricia schüttelte den Kopf. “Außer am Tag der Beerdigung war ich nie wieder an Dougs Grab.”
Das waren keine guten Neuigkeiten. Als Dougs damalige Freundin war Patricia für Susannah die einzige vernünftige Antwort gewesen, die sowohl die Blumen auf dem Grab als auch die Einbrüche in das Haus in der Chestnut Avenue erklärt hätte. “Ich war mir sicher, dass du es warst.”
Patricia zuckte mit den Schultern. “Tut mir leid, ich kann dir nicht helfen. Verstehe mich nicht falsch, ich habe Doug geliebt, aber das ist so viele Jahre her.” Sie blickte in die Ferne und wirkte gedankenverloren. “Das Leben geht weiter. Ich habe Tom geheiratet, nachdem ich die Schwesternschule abgeschlossen hatte. Doug war tot, aber ich nicht.”
“Ich weiß.” Diese Tragödie
Weitere Kostenlose Bücher