Garten des Lebens
hatte und an dem sie regelmäßig teilnahm. Danach hielt sie normalerweise ein Schläfchen und ging schließlich zum Abendessen. Als sie hinterher mit den anderen Frauen zu ihrem Apartment zurückging, war sie ein bisschen enttäuscht, weil sie ihren Freund George nicht getroffen hatte – obwohl sie wusste, dass er seine Mahlzeiten in seinem Zimmer zu sich zu nehmen pflegte. Vivian war stolz auf sich. Sie hatte ihre Lachsküchlein und einen kleinen Salat ganz aufgegessen, das Reisgericht jedoch nicht probiert. Es hatte sowieso nie Geschmack.
Vivian ging, auf ihren Gehstock gestützt, um das Gleichgewicht zu halten, am Billardzimmer vorbei. Wie immer war ihr Freund da und benutzte seinen Krückstock als Billardqueue. Auch bei ihrem ersten Treffen hatte er auf diese Weise Billard gespielt. George blickte auf, als er sie sah.
“Ich habe mich schon gefragt, ob Sie vorbeikommen würden”, sagte er in seiner etwas schroffen Art.
“Also … hier bin ich.”
George gab ein missmutiges Grunzen von sich. “Warum haben Sie so gute Laune?”
“Mein Ehemann hat mich heute Nachmittag besucht.”
George stellte seinen Krückstock auf den Fußboden. “Er hat Sie besucht?”
Vivian nickte. “Er ist eine ganze Weile geblieben.”
George kniff die Augen ein wenig zusammen. “Ich habe ihn nicht gesehen.”
Das war Vivian klar. “Natürlich haben Sie das nicht. Er erscheint nur mir. Er ist
tot
, wissen Sie?”
“Oh, richtig. Ich vergaß. Ich nehme nicht an, dass er viel gesagt hat?”
“Kann er doch nicht. Er ist tot.”
George rieb sich das Gesicht, als wolle er prüfen, ob er sich rasiert hatte oder nicht. “Hat er gesagt, was er wollte?”
Vivian dachte einen Moment lang nach. “Ich denke, er wollte nur schauen, wie es mir geht. Und ich war wirklich froh und erleichtert, ihn zu sehen.”
“Haben Sie die Schwierigkeiten mit Ihrer Tochter erwähnt?”
“Das habe ich versucht, aber die Angelegenheit schien ihn zu sehr zu quälen, zu sehr aufzuregen.”
“Ich dachte, ich hätte Ihre Tochter heute hier gesehen.”
Vivian ging hinüber zum Sofa und ließ sich langsam in die weichen Kissen sinken. “Sie
war
hier.”
“Sie ist aber nicht lange geblieben.”
Vivian runzelte die Stirn und umklammerte ihren Gehstock mit beiden Händen. “Warum nicht?”
“Das hat sie nicht gesagt, aber sie war nur etwa fünf Minuten da. Dann sah ich, wie sie durch die Eingangstür verschwand.”
Ach ja, jetzt erinnerte Vivian sich. “Meine Freundinnen waren zu Besuch, und danach habe ich mich ein bisschen hingelegt.”
“Haben Sie geschlafen?”
Plötzlich war Vivian sich nicht mehr sicher, aber sie nahm an, dass sie geschlafen hatte. “Wissen Sie, wer sich um meine Rosen kümmert?”
“Ich bin es nicht.”
“Das ist schon in Ordnung. Machen Sie sich keine Gedanken darüber. Ich werde es schon herausfinden, wenn die Schwester kommt und mir meine Tabletten bringt.”
“Das ist eine gute Idee”, erwiderte George.
Vivian wollte sich erheben, änderte dann jedoch ihre Meinung. Wieder runzelte sie die Stirn. “Susannah war hier, wie Sie sagen, und ich glaube, dass sie wieder wütend war.”
“Hat Ihre Tochter ein Problem damit, ihre Aggressionen zu bewältigen?”
Vivian fühlte sich von George angegriffen. “Wie können Sie so etwas Furchtbares über meine Susannah sagen?”, entgegnete sie.
“Seien Sie nicht so empfindlich. Es scheint in der Familie zu liegen.”
Diese Unterhaltung behagte Vivian nicht länger. Sie versuchte aufzustehen, doch sie hatte nicht die Kraft dazu. “Jemand muss mir helfen”, rief sie, ohne George eines Blickes zu würdigen.
“Ich bin schon da”, sagte George und humpelte auf seinen Krücken zu ihr.
“Nicht Sie.” George hatte ihre Susannah beleidigt, und das wollte sie nicht hinnehmen.
“Wer soll Ihnen helfen, wenn nicht ich?”, fragte George.
Er baute sich direkt vor Vivian auf und machte es ihr so unmöglich, ihm zu entkommen. “Schwester!”, schrie sie, so laut sie konnte.
George johlte vor Lachen.
“Das ist nicht zum Lachen!”, zischte Vivian.
“Hier.” George reichte ihr die Hand.
Eine stärkere Frau hätte abgelehnt, aber Vivian wollte nur noch zurück in ihr Apartment. Sie entschloss sich also, ihm diese eine Beleidigung, die er gegen ihre Tochter ausgesprochen hatte, zu verzeihen. Aber wirklich nur dieses eine Mal.
Mithilfe ihres Gehstocks und Georges Hand erhob Vivian sich mühsam. Es war nicht leicht. Wer war nur auf die Idee gekommen, so
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