Garten des Lebens
gleiche Vertrauen entgegengebracht. Susannah fiel ein, wie ungeduldig Carolyn damals immer auf Post gewartet hatte. So, wie sie selbst auch. Das hatte sie die Zeit in Frankreich überhaupt überstehen lassen.
“Es tut mir leid”, sagte Carolyn und blickte unsicher zu Boden. Sie mied Susannahs Blick. “Ich wollte dir das nicht verheimlichen. Aber als Doug mir zum ersten Mal schrieb, bat er mich, dir nichts davon zu erzählen. Ich habe seinen Wunsch respektiert und dann … irgendwie hat es sich nicht ergeben.”
“Ihr habt euch über den Briefverkehr ineinander verliebt? Willst du mir das damit sagen?”
“Ich denke, ja.” Carolyn sah ihr nun direkt in die Augen. “Erinnerst du dich nicht mehr daran, wie durcheinander und schockiert ich war, als Doug starb?”
Susannah schüttelte den Kopf. Sie war damals so mit ihrem eigenen Schmerz beschäftigt gewesen, dass sie es nicht bemerkt hatte.
“Im letzten Brief, den ich von ihm bekam, schrieb Doug, dass er Patricia die Wahrheit über uns erzählen wollte.”
“Und du legst immer noch Blumen auf sein Grab?”
Sie gingen zurück ins Wohnzimmer und setzten sich auf die Couch. “Alle paar Wochen stellte ich frische Blumen auf das Grab meiner Eltern und auf Lilys Grab. Und dann bringe ich auch immer einen Strauß zu Doug. Ich wusste nicht, dass es dir aufgefallen ist.”
“Als ihr euch geschrieben habt”, fragte Susannah, “hat Doug – hat er jemals gesagt, dass Jake zu Sharon zurückgekehrt ist?”
“Nein. Aber er schrieb nie viel über Jake.”
Susannah musterte ihre Freundin. “Was verschweigst du mir?”
“Ich weiß, dass Doug wegen irgendetwas wütend auf ihn war – er hat nur nie verraten, was es war.”
27. KAPITEL
V ivian hatte gute und schlechte Tage, und dieser Tag war einer der guten. Viele schlechte Tage hatte es gegeben, bevor Susannah und Chrissie zu ihr gekommen waren. Vivian hatte versucht, zu verbergen, wie abgeschlagen sie sich fühlte. Tatsächlich war ihr nicht bewusst gewesen, wie schlecht sie allein zu Hause zurechtkam, bis sie in dieses Gefängnis gekommen war – oder Hospital oder was auch immer es war.
Nicht, dass sie sich beschweren wollte. Das Essen war in Ordnung, wenn sie Hunger hatte, und sie stellte fest, dass die Qualität der Mahlzeiten sich seit ihrem Einzug stark verbessert hatte. Sicher, an den meisten Tagen hatte sie einfach keinen Appetit, aber sie bemühte sich wirklich, regelmäßig zu essen. Sie gewöhnte sich an die Art, wie die Dinge hier angepackt wurden. Zuerst hatte es ihr Angst gemacht, dass die Türen nachts abgeschlossen wurden, aber ihr Freund George – nicht ihr Ehemann, sondern der andere George – hatte ihr erklärt, warum es so war. Sie verschlossen die Türen, um Ganoven fernzuhalten. Sie glaubte ihm das. Denn sie wusste, dass die Welt voll von Menschen war, die ältere Witwen hintergehen wollten.
Die Türen gegen Diebe zu verbarrikadieren war in Ordnung, fand Vivian, doch diese Maßnahme hielt leider auch einen wichtigen Menschen davon ab, zu ihr zu kommen –
ihren
George. Sie hatte nicht gewusst, dass abgeschlossene Türen ein Hindernis für die Toten waren, aber offensichtlich war es so. Seit ihrem Umzug ins
Altamira
war er nicht mehr zu ihr gekommen – wenigstens bis heute nicht.
Doch als sie von ihrem Mittagsschlaf erwachte, war er da, in ihrem verdunkelten Zimmer. Oh, er sah so wunderbar aus. Die Freude übermannte Vivian beinahe. Sein letzter Besuch lag so lange zurück, dass sie die Hoffnung schon fast aufgegeben hatte.
Vivian fragte ihn, warum er so viele Wochen gebraucht habe, um sie zu finden. Er antwortete nicht, aber das war in Ordnung. Nichts war mehr wichtig, solange er nur bei ihr war. Für eine Weile saßen sie beieinander und blickten sich schweigend an. Tränen schimmerten in ihren Augen, und obwohl sie nicht sprachen, spürte Vivian, wie sehr er sie und die Kinder liebte.
Als sie sich wieder beruhigt hatte, erzählte sie ihm, wie wütend Susannah war, obwohl sie sich nicht mehr genau erinnern konnte, warum. Der arme George wusste offenbar nicht, was er davon halten sollte und was der Grund für Susannahs Zorn war. Er runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf, und Vivian wünschte, sie hätte ihm nichts davon gesagt. Schon bald darauf verschwand er wieder.
Gestärkt durch Georges Besuch ging sie mit Sally und ein paar anderen Frauen gemeinsam zum Abendessen. Am Nachmittag hatten sie sich bereits zum Tee getroffen – ein Ritual, an dem Vivian Gefallen gefunden
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