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Gartenschläfer: Der zweite Fall für Franca Mazzari (German Edition)

Gartenschläfer: Der zweite Fall für Franca Mazzari (German Edition)

Titel: Gartenschläfer: Der zweite Fall für Franca Mazzari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Keiser
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Brille ab und rieb sich die brennenden Augen. Heute wusste sie es besser. Schöne Möbel machten noch lange kein glückliches Zuhause. Sie seufzte tief. Verlor sich in ihren Gedanken. Eine richtige Familie, das war immer ihr Traum gewesen. Eine Familie, bestehend aus Vater, Mutter und Kindern. Menschen, die gerne beieinander waren und sich aufeinander verlassen konnten, in guten wie in bösen Tagen. Und was war geschehen? Der Mann gestorben, die Tochter – ihr einziges Kind, obwohl sie gerne mehr gehabt hätte – auf und davon, und sie lebte allein mit ihrer Enkelin in diesem Haus. Was für ein Leben! Von einem freundlichen Umgang miteinander konnte schon lange keine Rede mehr sein.
    Vielleicht war sie viel zu alt, um solch einer schwierigen Aufgabe Herr zu werden, ein mutterloses Kind großzuziehen. Aber was hätte sie denn machen sollen, als die Ereignisse über sie hereinbrachen? Erst der schleichende Tod von Hans. Jahrelang hatte sie ihren kranken Mann gepflegt, der ihr stets eine Stütze gewesen war. Eine Aufgabe, die sie an die Grenzen ihrer Belastbarkeit geführt hatte. Kaum hatte sie sich mit Hans’ Tod abgefunden, da war ihre Tochter plötzlich spurlos verschwunden. Am Ende stand sie nun allein da mit ihrer Enkelin.
    Manchmal fragte sie sich, was Gott ihr noch alles auferlegen wollte.
    Davina war ein Kind, das sie maßlos überforderte. Dabei hatte sie sich redlich Mühe gegeben. Aber Davina war vom gleichen Schlag wie ihre Mutter. Renitent. Uneinsichtig. Provokativ. Mit Vernunft war ihr überhaupt nicht beizukommen.
    Helene verstand so vieles nicht. Was in dem Kopf des Kindes vor sich ging, war ihr ein Rätsel. Wenn sie versuchte, vernünftig mit Davina zu reden, schaute sie sie nur stumm mit ihren großen hellblauen Augen an, um die sie sich schwarze Ränder gemalt hatte. Oder sie ließ ein Donnerwetter los. Sie war einfach unberechenbar. Man wusste nie, woran man bei ihr war. Sie war das Ebenbild ihrer Mutter. Innerlich wie äußerlich. Bis auf die blauen Augen. Weiß der Teufel, von wem sie die hatte. Helene hatte von jeher vergeblich nach Spuren ihres eigenen Wesens in diesen beiden Menschen gesucht.
    Sie nahm die Teetasse in ihre Hand und nippte daran. Jetzt hatte der Tee genau die richtige Temperatur. Sie spürte, wie die warme Flüssigkeit ihre Kehle hinunterrann. Ein angenehmes Gefühl.
    Von oben war ein Rumpeln zu hören, als ob jemand Möbel verrückte. Helene hätte nur zu gern gewusst, was Davina dort so Geheimnisvolles trieb, doch ihre Enkelin hatte ihr verboten, das Zimmer zu betreten. Der penetrante Geruch, der durchs Haus strömte, wenn sie dieses Räucherzeugs anzündete, regte sie auf. Vielleicht sollte sie sich doch nicht alles gefallen lassen. Es war ja schließlich ihr Haus.
    Helene lehnte sich in ihrem Sessel zurück und schloss die Augen. Früher war es ihr öfter gelungen, dass sich ihre Sorgen bei einer in Ruhe genossenen Tasse Tee verflüchtigten. Doch in letzter Zeit war dies immer seltener der Fall.
    Insgeheim hatte sie sich an die Hoffnung geklammert, nach Patricias Weggang würde alles leichter. Aber es war nur noch schwerer geworden.
    Die Tasse war leer. Die Brust schmerzte. Sie ächzte beim Aufstehen. Es nützte nichts, solchen unseligen Gedanken nachzuhängen. Die Fenster mussten geputzt werden, die Wäsche gewaschen und gebügelt. Das waren die Aufgaben, denen sie sich jetzt widmen sollte.

5
    » Erklär mir, Liebe «, sagt Mama und schaut Davina mit diesem komischen Blick an, der immer in ihren Augen liegt, wenn sie beginnt, ein Gedicht aufzusagen oder aus ihren Büchern zu zitieren. Sie sitzt im Schneidersitz auf der Decke, spielt mit dem Band des Strohhutes, dessen Enden lose herunterhängen. Sie neigt sich vor, pflückt eine Pusteblume, die sie Davina vor den Mund hält. Davina spitzt die Lippen, bläst und beobachtet, wie die kleinen Schirmchen davonsegeln.
    Mama lächelt. Der Rand ihres Sonnenhutes malt helldunkle Schattenmuster auf ihr Gesicht. Sie schließt die Augen und spricht leise vor sich hin. »… Sternblumen bläst der Sommer an und aus, / von Flocken blind erhebst du dein Gesicht, / du lachst und weinst und gehst an dir zugrund, / was soll dir noch geschehen – «
    Mama schlägt die Augen wieder auf und sieht Davina an. Mit diesem traumumflorten, halb abwesenden Blick. »Ist das nicht ein wunderwunderschönes Gedicht?«, haucht sie.
    Davina nickt. Obwohl sie die Zeilen nicht richtig versteht. Aber es klingt schön, wenn Mama ein Gedicht aufsagt. Nur das

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