Gartenschläfer: Der zweite Fall für Franca Mazzari (German Edition)
wuscheliges, braunes Haar fällt ihr ins Gesicht. Davina fasst ihr in die dunklen Locken, zieht ein bisschen daran. Mama wendet den Kopf, sieht sie an und lacht wieder. »Das macht dir Spaß, was?«, fragt sie, und Davina nickt verschmitzt. Alles, was Mama und sie gemeinsam unternehmen, macht Spaß.
Das Kränzchen ist fertig. Sie legt es Davina um den Kopf. »Gänseblümchen sind ganz besondere Blumen«, sagt Mama mit einem geheimnisvollen Lächeln. »Kleine Blumen mit Gold im Herzen und Silber auf dem Kleid!«
Das Kränzchen passt genau. »Steht dir gut«, sagt Mama und nennt Davina Daisy-Darling. Daisy heißt Gänseblümchen, erklärt sie ihr. Mama lässt sich dauernd irgendwelche Namen für sie einfallen. »Wofür hat man denn seine Phantasie?«
Sie lässt sich zurück auf die Decke gleiten, streckt die Arme von sich und sieht Davina an. Die Sonne scheint ihr ins Gesicht, sie kneift die Lider zusammen.
»Komm her zu mir.«
Davina legt sich ganz nah neben sie und fühlt ihre Wärme, als Mama die Arme um sie schlingt und sie fest hält . Sie und Mama bilden eine Einheit. Etwas, das unzerstörbar ist.
Mama summt eine leise Melodie an Davinas Ohr. Davina kennt das Lied, Mama spielt es oft auf dem Klavier. Es geht darin um Freiheit. Das hat sie ihr mal erklärt. Weil Freiheit etwas ganz Wichtiges ist, das einem niemand wegnehmen darf. Es ist ein schönes Lied. Davina weiß, dass Mama jetzt lächelt, auch wenn sie es nicht sehen kann.
Sie kuschelt sich noch enger an ihre Mama, als ob sie in sie hineinkriechen wollte. Sie will sich immer an diesen Moment erinnern. Sie und Mama allein im Gras. Oben der blaue Himmel, der sich unten im See spiegelt.
Da fällt ein Schatten auf sie beide. Eine Männerstimme sagt: »Hallo Patti, da bist du ja.«
Mama lässt Davina los und richtet sich auf. Lächelt den Mann an. Sie gurrt und spricht freundlich mit dem Mann, der sich neben sie setzt und den Arm um ihre Schulter legt.
Wieso weiß der fremde Mann von diesem Platz? Das ist doch ihr Geheimnis. Davina sucht Mamas Blick. Aber Mama sieht sie nicht mehr. Es ist, als ob Davina gar nicht mehr da sei. Als ob sie verschmolzen sei mit der Luft, dem Himmelsblau und dem Grünweiß der Gänseblümchenwiese.
6
Sie standen vor einem schmucklosen Mehrfamilienhaus, das direkt an einer stark befahrenen Straße lag. Im ungepflegten Vorgarten blühten zwischen verdorrtem Unkraut und vertrockneten Asternbüschen orangefarbene Ringelblumen. Der Summer ertönte. Franca drückte die Tür auf, die leicht klemmte. Die geriffelte Glasfüllung hatte einen Sprung. Die Luft im Flur war muffig, der Boden mit rissigem und von zahlreichen großen und kleinen Flecken übersätem Linoleum ausgelegt. In einer Ecke lag zusammengeknäultes Papier.
Hintereinander gingen sie die abgetretenen Treppenstufen hinauf. Hinterhuber folgte Franca in den dritten Stock. Ein Mädchen, vielleicht sechzehn oder siebzehn Jahre alt, stand in der halb geöffneten Tür. Das Mädchen hatte dicke Balken um die braunen Augen gemalt. Braune Augen wie die des Toten. Ihr Haar, das blond gefärbt war, schimmerte an den Wurzeln dunkel und wurde nachlässig mit einem Gummiband zusammengehalten. Einige Strähnen hatten sich gelöst. Ihr Gesicht war gerötet. Sie sah aus, als ob man sie gerade bei etwas Wichtigem gestört hätte.
»Sind wir hier richtig bei Reschkamp?«
»Steht doch dran, oder?«
Rotzige Göre, der die Abwehrhaltung überdeutlich ins Gesicht geschrieben stand.
Franca überlegte kurz, ob sie sie duzen oder siezen sollte. Sie entschloss sich zum »Sie«. Vielleicht machte es sie zugänglicher, wenn sie wie eine Erwachsene behandelt wurde.
»Könnten wir Ihren Vater oder Ihre Mutter sprechen?«
Das Mädchen grinste schief.
Im Hintergrund war ein Geräusch zu hören. Franca versuchte, an ihr vorbeizusehen, doch der Flur lag im Dunkeln. Das Mädchen kniff die Augen zusammen. »Es ist niemand da«, sagte sie mit abweisendem Gesichtsausdruck. »Und ich muss jetzt …«
Hinterhuber konnte gerade noch verhindern, dass sie ihnen die Tür vor der Nase zuknallte, indem er blitzschnell seinen Fuß in den Türspalt schob.
»Moment!«, rief er aufgebracht. »So geht’s nun doch nicht.«
Das Mädchen kaute auf den Lippen, auf denen ein Rest rosa Lippenstift klebte. »Ich hab Ihnen doch gesagt, dass niemand da ist.«
»Wir kommen von der Kripo Koblenz.« Franca hielt ihr den in Plastik eingeschweißten Dienstausweis entgegen. »Kriminalhauptkommissarin Franca Mazzari. Und
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