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Gartenschläfer: Der zweite Fall für Franca Mazzari (German Edition)

Gartenschläfer: Der zweite Fall für Franca Mazzari (German Edition)

Titel: Gartenschläfer: Der zweite Fall für Franca Mazzari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Keiser
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mit den Sternblumen hat sie verstanden. Sternblumen, das waren Pusteblumen. Sie hört gern zu. Versucht, so gut es geht, den Sinn zu erraten. Mama kennt viele Gedichte. Manche hat sie schon so oft aufgesagt, dass Davina sie wiedererkennt. Wie das von der Wolke hoch droben am Himmel oder das von den zwei Segelbooten, die nebeneinander im Wasser schwimmen. Mama hat viele Bücher in ihrem Schrank stehen. Bücher sind ihr Heiligtum, hatte sie mal gesagt. Worauf Oma sie ganz komisch ansah und »du und deine Heiligtümer« murmelte. Oma liest nur ihre Frauenzeitschriften mit roten Herzen und schönen Menschen drauf und vielen Kreuzworträtseln drin, die Mama »deine Bildungsblätter« nennt. Im gleichen, leicht abfälligen Tonfall, wie Oma Mamas Heiligtümer bezeichnet. Das sind die alltäglichen kleinen Kämpfe zwischen Mutter und Tochter, nichts Besonderes.
    Die Luft ist warm. Ein leichter Wind weht, der wie ein zartes Streicheln auf der Haut ist.
    Drüben, unterhalb der Apfelplantage, sieht man die wuchtigen Türme von Maria Laach zwischen den Bäumen. Mama hat Davina erzählt, dass im Kloster Mönche wohnen, die schwarze Kutten tragen. Und dass es dort ein Paradies gibt, in dem die Mönche spazieren gehen. Irgendwann wird Mama ihr dieses Paradies zeigen. Das hat sie versprochen. Und was man verspricht, das muss man halten.
    Ihr geheimer Platz liegt halb hinter einer Baumgruppe versteckt, am oberen Ende eines Hügels. Hierhin gehen sie manchmal sonntags, wenn schönes Wetter ist. Mama und Davina. Niemand sonst weiß von diesem Platz.
    Unten, zwischen geraden, schlanken Baumgruppen, leuchtet der See wie ein glatter, blauer Spiegel. Eingerahmt von bläulich schimmernden Bergkegeln.
    Um sie herum Grashalme, zwischen denen Gänseblümchen blühen. Bienen summen. Und wenn Davina den Kopf zurücklegt, sieht sie das Himmelsblau. Wolken segeln darin. Wolken wie Schäfchen, dazwischen eine große Wolke. Das ist der Schäfer, der auf seine Herde aufpasst.
    »Dort, ungeheuer oben, das Himmelsmeer«, sagt Mama und sticht mit dem Zeigefinger in die Luft. »Die Unendlichkeit. Dort gibt es keinerlei Begrenzung.«
    Davina versucht sich vorzustellen, was das bedeutet: Unendlichkeit. Aber so sehr sie sich auch diese Unendlichkeit vor Augen führen will – es gelingt ihr nicht. Andauernd stößt sie an Grenzen. An Ränder. An Enden.
    Mamas Glasperlenschnüre, die sie um die Arme geschlungen trägt, klirren leise. »Hier ist es schön, nicht wahr?«, sagt sie.
    »Hmm«, murmelt Davina und dreht sich auf den Bauch. Sie legt das Gesicht auf ihren nackten Arm. Mama krault ihren Rücken, klettert mit den Fingern höher in ihren Nacken, in dem sich feuchte Härchen kringeln. Vor Wonne kriegt sie eine Gänsehaut. Wohlig beginnt sie zu brummen und wünscht sich, dass Mama nie mehr mit dem Fingerspiel aufhört. Da drückt sie ihr einen sanften Kuss auf die Haut. Mama hat ganz weiche Lippen. »Wir haben’s gut miteinander, mein Püppchen, nicht wahr?«, flüstert sie an Davinas Ohr. Manchmal nennt sie sie Püppchen, obwohl Davina das nicht so gern mag. Zigeunerprinzessin mag sie lieber. Oder Prinzessin Brambilla, wie die Heldin einer der Geschichten heißt, die Mama ihr manchmal vorliest. Das klingt nach Edelsteingefunkel und Märchen und schönem Zauberreich.
    »Komm, du Faulpelz, nicht immer im Gras liegen.« Mama streckt ihre Hände aus und zieht sie lachend hoch, dreht Davina im Kreis. Sie trägt das weiße Kleid, das in der Sonne fast durchsichtig wirkt und durch das man ihre Brustspitzen sieht. Die bunten Glasperlenketten, die um ihren Hals und um ihre Arme schaukeln, senden geheimnisvolle Blitze.
    Mama ist eine Zauberfee.
    Wie Davina ist sie barfuß. Sie ist viel jünger als andere Mütter, zumindest kommt es Davina so vor. Sie spürt das Gras unter ihren nackten Füßen kitzeln. Als sie im Kreis herumgewirbelt wird, lacht sie.
    »Bald fahren wir nach Rügen. Das ist eine Insel mitten im Meer. Dort sind die Felsen weiß und der Himmel so blau wie die vielen Blumen, die dort wachsen«, sagt Mama ihr zuzwinkernd. »Und so blau wie deine Augen.«
    »Wann ist bald?«, will Davina wissen. Sie hat noch nie eine längere Reise unternommen.
    Mama lacht. »Du kannst es wohl gar nicht erwarten, was?«
    Später pflückt Mama einen Strauß Gänseblümchen und bastelt eine Kette daraus. In die zarten grünen Stängel ritzt sie einen Schlitz, dicht unterhalb der Blüte, durch den sie den Stängel des nächsten Gänseblümchens durchschiebt. Ihr

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