Gartenschläfer: Der zweite Fall für Franca Mazzari (German Edition)
machst du das? Das tut doch weh.«
Wild schlägt ihr Herz gegen ihre Rippen.
Die Schlafzimmertür steht offen. Mama sitzt auf dem Bett. Ihre Schultern hängen herab. Sie sitzt einfach da und starrt in die Luft. Da ist kein Messer und auch kein Blut.
Davina sagt leise: »Wir wollten doch zum See.«
Mama schaut hoch. Ihr Gesicht ist unbeweglich. Mit leeren Augen sieht sie durch Davina hindurch.
»Mama?« Davina stupst sie an. »Mama. Bitte. Komm.«
Doch Mama bleibt sitzen. Ihre Miene ist ausdruckslos. Mit schwerer Zunge sagt sie: »Lass mich.«
Auf dem Nachttisch steht neben einem Wasserglas ein Tablettendöschen. Es ist geöffnet.
Davina verspürt den starken Drang, die Arme um ihre Mutter zu schlingen, den Kopf an ihre Brust zu legen und einfach nur zu weinen. Doch sie ist wie gelähmt. Starr bleibt sie stehen und denkt daran, was Mama mal gesagt hat. Dass am Ende der große schwarze Vogel kommt, seine Flügel ausbreitet und einen mitnimmt in den Himmel. Sie hat wahnsinnige Angst davor, dass ihre Mama beschlossen haben könnte, sich jetzt vom großen schwarzen Vogel holen zu lassen. Es ist ein Gefühl, als ob ihre Brust zusammengequetscht würde.
10
Franca, Hinterhuber und Oliver Reimers saßen im Besprechungsraum der Andernacher Inspektion, um die bisherigen Ergebnisse zusammenzufassen. Irene Seiler vom Rechtsmedizinischen Institut in Bonn hatte den Toten vor Francas Eintreffen am Fundort untersucht. Ihren Angaben zufolge war der Tod von Mario Reschkamp irgendwann am Nachmittag eingetreten. Genauer wollte sie sich vorerst nicht festlegen.
Auch stand inzwischen fest, dass der Fundort mit dem Tatort übereinstimmte. Etliche Polizisten hatten das Gelände rund um den Schlossgarten bis in die späten Abendstunden durchforstet und nach der Tatwaffe gesucht. Doch es war nichts gefunden worden. Am nächsten Tag sollte die Suche mit Spürhunden fortgesetzt werden.
Die Tür flog auf. Eine dunkelhaarige Frau mit Pagenkopf und rot geschminkten Lippen stürmte herein. »Ich hoffe, ich bin nicht allzu spät.« Schelmisch blitzende Augen sprangen hin und her. Mit ihr schien ein frischer Wind durch die abgestandene Luft des nüchternen Polizeiraumes zu wehen.
»Marie Kirschbaum.« Sie nickte grüßend in die Runde. »Ich hatte gerade noch ein sehr anstrengendes Gespräch, deshalb ist es etwas später geworden.« Mit energischen Schritten steuerte sie auf den freien Platz neben Oliver Reimers zu, zog Jacke und Schal aus und hing beides über ihre Stuhllehne.
»Marie ist unsere Jugendsachbearbeiterin«, stellte Oliver seine Kollegin vor. »Sie kennt so gut wie alle Minderjährigen hier, die irgendwie aus dem Nest gefallen sind.«
Auf Maries Gesicht erschien ein kleines Lächeln, das sofort wieder erstarb, als ihr Blick über die Polaroidfotos glitt, die auf dem Tisch lagen.
»Mario«, sagte sie und schluckte.
»Sie haben den Toten gekannt?«, fragte Franca.
»Ich hatte mit ihm zu tun.« Marie Kirschbaum nickte. »Er ist ein paar Mal aufgefallen … ziemlich intelligent, aber irgendwie nicht in den richtigen Kreisen gelandet.« Ihre Stimme zitterte leicht. Sie sah von einem zum anderen. »Gibt es schon irgendwelche Anhaltspunkte?«
»Nur Vermutungen«, sagte Hinterhuber. Seine Augen hinter der Goldrandbrille waren gerötet.
Ob meine Augen auch so aussehen, dachte Franca, die mit einem Mal die Müdigkeit in all ihren Gliedern spürte. Ihr Nacken war verspannt, ein dumpfer Schmerz zog sich bis unter die Haarwurzeln. Sie musste sich regelrecht zwingen, weiterhin konzentriert zuzuhören.
»Wir haben ein paar Pac in Marios Socken gefunden. Portioniertes Heroin. Aber nichts lässt darauf schließen, dass er Konsument war. Keine Einstichstellen und ein gepflegtes Erscheinungsbild. Die Mutter haben wir bereits befragt. Aber dabei kam nicht so viel heraus. Wissen Sie mehr?«
»Wir können uns gerne duzen«, sagte Marie mit Blick auf Franca und Hinterhuber. »Ob er Drogenkonsument war, kann ich nicht sagen. Ich habe ihn in einem anderen Zusammenhang kennengelernt.« Sie nahm eines der Polaroids hoch und betrachtete es eingehend, bevor sie es wieder zur Seite legte. »Es gab hier einige Vorkommnisse auf Friedhöfen. Jugendliche, die offensichtlich so was wie schwarze Messen abgehalten haben. Das konnten wir aus den Überbleibseln erkennen, die sie hinterlassen haben. Graffiti auf umgestürzten Grabsteinen, Flyer mit einschlägigen Symbolen und satanischen Sprüchen. Manchmal auch Tierkadaver. Und jede Menge leerer
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