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Gartenschläfer: Der zweite Fall für Franca Mazzari (German Edition)

Gartenschläfer: Der zweite Fall für Franca Mazzari (German Edition)

Titel: Gartenschläfer: Der zweite Fall für Franca Mazzari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Keiser
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schmale Silhouette ihrer Mutter. Sie trug einen wadenlangen Rock und einen hellbeigen Strickpullover. Im Hintergrund lief leise Musik. Der Trientiner Bergsteigerchor. La Montanara . Musik, die Franca durch ihre Kindheit begleitet hatte. Ihr Vater, der aus dem Trentino stammte, hatte mit diesen Liedern, die er auswendig konnte, ein Stück seiner italienischen Heimat ins Haus geholt.
    »Hallo, Franca.« Mit einem schmalen Lächeln im Gesicht trat ihre Mutter auf sie zu. »Schön, dass du so schnell gekommen bist.« Die Fältchen in ihrem Gesicht tanzten. Ihr dunkles Haar hatte lange seine Ursprungsfarbe behalten, doch inzwischen überwog das Grau. Beherzt umarmte sie ihre Tochter und drückte sie an sich. Franca roch den vertrauten Geruch, den sie ausströmte, eine Mischung aus Lavendel und Vanille.
    »Willst du was essen? Auf dem Herd steht Bollito misto. Ich kann dir gern was aufwärmen.«
    Bollito misto. Der Eintopf war eines der Lieblingsgerichte ihres Vaters gewesen. Stolz hatte er stets behauptet, niemand koche Bollito misto so gut wie seine Frau. Einen kurzen Moment fühlte Franca sich wieder wie das kleine Mädchen von damals.
    »Weißt du, ich hätte dich ja nicht mit dieser toten Taube behelligt, aber …« Ihre Mutter holte Luft. »Ja, wenn dein Papa noch lebte.«
    Noch nach mehr als dreißig Jahren dieser Satz. Manche Dinge änderten sich nie. Schon öfter hatte Franca sich gefragt, warum ihre Mutter sich in dieser langen Zeit keinen neuen Mann gesucht hatte. Sicher hatte es den einen oder anderen Verehrer gegeben. Auch jetzt noch im Alter war sie eine attraktive Frau. Aber im Laufe der Jahre war ihr Vater fast zu einem Heiligen stilisiert worden, dem offenbar kein anderer Mann das Wasser reichen konnte. »Mein Franco«, hieß es immer. »Wenn mein Franco das noch erleben dürfte.« Dabei hatten die beiden durchaus ihre Kämpfchen miteinander ausgefochten. Aber je mehr die Zeit verging, desto glatter und gefälliger war das Bild ihres Vaters in den Augen seiner Frau geworden. Franca war aufgefallen, dass sie sich in letzter Zeit noch mehr in die Vergangenheit zurückzuziehen schien als sonst.
    Ihre Mutter löste sich aus Francas Armen, schritt entschlossen durch den Flur ins Wohnzimmer und öffnete die Terrassentür, die in den kleinen Garten hinter dem Haus führte. Rechts in der Ecke hatte früher ein Sandkasten gestanden und in den Ästen des knorrigen Apfelbaums eine Schaukel gehangen. Sie erinnerte sich daran, wie das Licht an sonnigen Tagen auf den Rasen fiel und goldene Sprenkel zwischen den Grashalmen bildete.
    Wie gern hatte sie hier als Kind verweilt, sich weit auf der Schaukel zurückgelehnt, in die Wipfel der Bäume und den blauen Himmel dahinter geschaut, den vorbeiziehenden Wolken nach . Ein Bild, das sich mit jeder Schaukelbewegung veränderte.
    »Dort hinten am Zaun liegt sie. Ich kann gar nicht hinschauen.« Ihre Mutter presste die Lippen aufeinander. »Weißt du, ich habe gesehen, wie die Nachbarskatze ihr aufgelauert hat. Dieses Viech, das ich eh nicht leiden kann, weil sie mir immer auf den Rasen scheißt. Ja, ist doch wahr. Also, diese Katze hat eine regelrechte Verfolgungsjagd veranstaltet. Immer wieder ist sie der Taube nachgeschlichen und wollte ihr an den Hals. Das hat die ein paar Mal gemacht, bis die Taube nicht mehr fliegen konnte. Und gestern Abend, als ich nochmal kurz raus bin, lag sie da. Zerfleddert … ekelhaft.«
    »Okay, ich kümmer mich drum.«
    Franca trat auf die Terrasse und lief durch das feuchte Gras bis zum nahen Zaun, der mit wucherndem Efeu bewachsen war. Davor lag der Vogeltorso, drumherum waren ein paar lose Federn verstreut. Der Kopf fehlte. Die Nachbarskatze hatte ganze Arbeit geleistet.
    Ihre Mutter hielt bereits eine Kehrschaufel in der Hand. »Ich bin dir sehr dankbar, dass du das machst. Ich hätte das einfach nicht gekonnt.«
    Franca nahm die Schaufel und hievte die Taube darauf. Widerwillen durchlief sie, als sie unter dem harten Blech den weichen, nachgiebigen Tierkörper spürte. Mit dem Taubentorso auf der Schaufel ging sie ums Haus herum zum Mülleimer. Sie warf die Taube hinein und deckte ein paar Zeitungen darüber.
    »So, erledigt«, sagte sie, als sie zurückkam.
    Ihre Mutter zuckte mit den Mundwinkeln.
    »Ich hab sie zugedeckt, damit du sie nicht siehst, wenn du das nächste Mal an den Mülleimer gehst.« Im Bad wusch sie sich die Hände.
    »Kommst du mit in die Küche? Ich hab den Herd schon angemacht!«, rief ihre Mutter durch die halb

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