Gartenschläfer: Der zweite Fall für Franca Mazzari (German Edition)
er auf die Hupe. Der andere zeigte ihm den Vogel.
»Das ist Beamtenbeleidigung, Freundchen!«, rief Hinterhuber aufgebracht. Und zu Franca gewandt: »Schreib die Nummer auf.«
»Na, na«, meinte Franca beschwichtigend. Hubis Fahrstil war schon mal besser gewesen. Er wirkte nervös und unkonzentriert. Gerade waren sie beide Zeugen der Obduktion von Mario Reschkamp gewesen. Ein Prozedere, um das sich Franca nicht gerade riss, das es ihnen als ermittelnde Kriminalisten aber ermöglichte, sich ein genaueres Bild von der Todesursache und vom Ablauf der Tat zu machen.
Diese Leiche hatte allerdings nur wenig über den Mörder verraten, obwohl Irene Seiler ihre Arbeit sorgfältig erledigt und ihnen alles Notwendige erklärt hatte. Sie hatten erfahren, dass aufgrund der Wundwinkel die Tatwaffe ein zweischneidiges Messer oder ein Dolch mit scharfen Klingen gewesen sein musste. Mindestens zwanzig Zentimeter lang. Damit hatte der Täter neunundzwanzig Mal auf sein Opfer eingestochen. Hauptsächlich im Genital-, Bauch- und Rumpfbereich. Die Stichwucht und Intensität musste enorm gewesen sein. Verstorben war Mario Reschkamp durch Verbluten nach innen und außen.
»Erstaunlich ist, dass er sich quasi nicht gewehrt hat. Es gibt kaum Abwehrspuren. Diese Messerattacke muss ziemlich unvermutet gekommen sein.« Irene Seiler hatte sich mehrmals verwundert über diese Tatsache geäußert.
Die Vermutung, dass Mario kein Heroinkonsument gewesen war, hatte sich bestätigt. Lediglich Cannabisrückstände konnten in seiner Lunge nachgewiesen werden.
»Was ist?« Hinterhuber drehte sich zu ihr hin.
»Was soll sein?«
»Willst du nicht das Kfz-Kennzeichen von diesem Idioten aufschreiben?«
Sie verrollte die Augen. »Du warst es, der Gas gegeben hat, als er zum Überholen ansetzte.«
»Na und?« Es ruckte hart, als er in den höheren Gang schaltete.
»Du musst deinen Frust nicht an dem armen Auto auslassen«, meinte sie beschwichtigend. »Das bricht doch sowieso schon bald zusammen.«
Er schwieg verbissen.
»Wenn du reden willst, ich hab ein offenes Ohr.« Es waren noch gut fünfzig Kilometer bis Koblenz. Zeit genug für ein längeres Gespräch. Reden half immer. Besonders mit vertrauten Menschen. Danach fühlte man sich besser. Das war zumindest ihre Erfahrung.
Es hatte zu regnen begonnen. Einzelne Regentropfen klatschten auf die Vorderscheibe. Hinterhuber schaltete die Scheibenwischer ein. Sofort schoben sich die Wischerarme von links nach rechts und verschmierten für einige Momente die Sicht.
»Mist, verdammter«, fluchte er.
Franca wunderte sich immer mehr. Hinterhuber drückte sich normalerweise sehr manierlich aus. Bevor ihm ein Fluch über die Lippen kam, musste schon einiges passiert sein. Auch dass er jeden Morgen zerknittert und zerfurcht ins Büro kam und wirkte, als ob er kaum oder gar nicht geschlafen hätte, beunruhigte sie.
»Dein Stress zu Hause ist nicht besser geworden, oder?«, fragte sie vorsichtig. Seine Kiefer mahlten.
Nach einer Weile sah er kurz zu ihr hinüber. »Eben im Obduktionssaal ist mir wieder mal klar geworden, wie schnell alles geht.«
Etwas in seiner Stimme alarmierte sie.
»Was macht das eigentlich für einen Sinn, ständig Menschenmaterial zu produzieren? Damit wehren wir uns doch nur gegen das Unabänderliche. Nämlich, dass wir irgendwann auch mal unter die Erde kommen. Und wozu die ganze Schinderei?«
Sie warf ihm einen besorgten Blick zu. Das klang nicht nur nach Frust, das klang nach ausgeprägter Lebenskrise.
»Weißt du, so ein neues Menschenkind ist etwas Wunderschönes«, sagte sie sanft. »Wenn man so ein Neugeborenes im Arm hält, kann man gar nicht richtig begreifen, wie die Natur so etwas schaffen konnte. So winzig und perfekt und mit allem drum und dran. Ich werde nie vergessen, als ich Georgina zum ersten Mal auf dem Bauch liegen hatte. Direkt nach der Geburt. Ein Wahnsinnsgefühl, an das so schnell nichts rankommt.«
Sie lächelte. Es war wirklich ein Wahnsinnsgefühl gewesen. Und die Nacht, als sie, David und Georgina im Krankenzimmer vereint waren, hatte sich ihr unauslöschlich ins Gedächtnis gebrannt. Damals hatte sie ganz fest daran geglaubt, dass nichts auf der Welt diese Dreieinigkeit je wieder trennen könnte. Sie waren eine Familie, etwas, das zusammengehörte. Aber wie anders war dann doch alles gekommen. Sie wünschte Hubi von Herzen, dass er ebenfalls diese wundervolle Erfahrung machen durfte. Und vor allem wünschte sie ihm den Erhalt seiner
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