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Gartenschläfer: Der zweite Fall für Franca Mazzari (German Edition)

Gartenschläfer: Der zweite Fall für Franca Mazzari (German Edition)

Titel: Gartenschläfer: Der zweite Fall für Franca Mazzari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Keiser
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gestorben? Überdosis?«
    Er nickte. »Der Stoff, den sie injiziert hatte, war ziemlich rein. Wahrscheinlich reiner als das, was sie sich sonst so in die Venen gejagt hat. Das hat ihr Körper nicht ausgehalten.«
    »Danke für die Mitteilung«, sagte sie knapp. »Aber ich muss jetzt wirklich.« Sie ging an ihm vorbei, öffnete die Tür und wartete, bis er gegangen war. Im Flur drehte er sich nochmal zu ihr um. Vollkommene Ratlosigkeit im Gesicht.

5
     
    Die Handoberflächen waren gerötet und leicht geschwollen. Dumpfer Schmerz pochte unter der Haut. Etwas Mächtiges machte sich in ihr breit und drückte von innen gegen ihren Brustkorb.
    Unten fiel die Haustür ins Schloss.
    Die alte Hexe war weg! Wahrscheinlich rannte sie wieder in die Kirche und betete zu ihrem Herrn Jesus. Die fromme Helene! So hatte Mama sie manchmal genannt.
    Davina stand auf und zog ihren Pullover über, darauf bedacht, die schmerzenden Finger nicht allzu sehr zu bewegen. Als sie den Schrank öffnete, sah sie, dass dort in einer Ecke noch die Flasche Wodka stand, die sie mal zu irgendeiner Party mitnehmen wollte, zu der sie dann aber doch nicht gegangen war. In Gesellschaft von anderen Jugendlichen fühlte sie sich stets etwas deplatziert. Da blieb sie lieber für sich. Nur mit Mario war das anders gewesen. Mit ihm war so vieles anders gewesen …
    Sie band einen Schal um den Hals und zog ihre dicke, schwarze Jacke an. Die Athame, die auf dem kleinen Altar lag, steckte sie in die Innentasche ihrer Jacke. Dann griff sie nach der Wodkaflasche und ging aus dem Haus. Ziellos begann sie zu laufen. Hügelaufwärts, über Feld- und Waldwege. Vorbei an Pferdeweiden und kahlen Äckern. Es war der Weg, den sie als Kind oft mit ihrer Mutter gegangen war. Er führte hinauf auf den Krahnenberg.
    Die kalte Luft nagte an ihren Wangen. Kaum jemand begegnete ihr, nur ein paar Spaziergänger mit ihren Hunden, die sie nicht kannte. Die blaugrauen Silhouetten der Bäume begrenzten den Horizont. Unten im Tal lagen die Ortschaften Weißenthurm und Mülheim-Kärlich. Niedrige Häuseransammlungen, die überragt wurden von den hohen Betonpfeilern der Neuwieder Brücke und dem Kühlturm des Kernkraftwerks. Ein Landschaftsbild, eingehüllt in bläulichen Dunst, für das sie keinen rechten Blick hatte.
    Unermüdlich schritt sie weiter. Bald lichteten sich die Baumgruppen und gaben den Blick auf den Rhein und die gegenüberliegende Rheinseite mit ihren steilen Weinbergen frei.
    »So nah ist Leutesdorf. Man kann die Häuser sehen. Und doch ist dort drüben eine ganz andere Welt«, hatte ihre Mutter oft gesagt, wenn sie hier gestanden und hinübergesehen hatten. Oder hinunter auf den breiten Fluss, auf dem die Schiffe vorbeiglitten. »Ein Fluss ist eine Grenze. Aber jede Grenze ist überwindbar.« Dabei hatte Mama gelächelt und das Lied von den Königskindern vor sich hingesummt, die zueinander nicht kommen konnten, weil das Wasser viel zu tief war.
    Davina setzte sich auf eine Bank, holte die Wodkaflasche hervor, schraubte den Deckel ab und roch daran. Angewidert schraubte sie die Flasche wieder zu.
    Aus ihrer Hosentasche zog sie ein zerknittertes Foto. Ihre Mutter lächelte sie an. Davinas Augenlider flatterten.
    »Sie mag nicht an dich erinnert werden«, flüsterte sie. »Sie hat mir den Klavierdeckel auf die Hände geknallt, weil ich dein Lied gespielt habe. Sie ist eine alte gottverdammte Kuh. Ich halte es nicht mehr aus mit ihr.«
    Sie lauschte. Vielleicht bekam sie eine Antwort. Noch hatte sie nicht alle Orte ausfindig gemacht, an denen das Ritual funktionierte.
    Schritte näherten sich. Ein älterer Mann und eine Frau kamen vorbei. Sie konnte gerade noch rechtzeitig die Wodkaflasche hinter ihrem Rücken verstecken.
    Eine Weile blieb sie so sitzen und starrte vor sich hin. Langsam fühlte sie, wie die Kälte in ihr hochkroch. Erneut schraubte sie die Flasche auf und setzte sie kurz entschlossen an die Lippen. Mit etwas Überwindung nahm sie einen tiefen Schluck. Ihre Lippen brannten. Sie konnte den Weg des Alkohols ausmachen, wie er über ihre Zunge und die Kehle hinunter in den Magen lief. Noch einen Schluck und noch einen. Sie spürte ein Feuer in ihrem Inneren. Etwas, das die Ohnmacht und das beklemmende Angstgefühl auf angenehme Weise minderte. In ihrem Kopf begann es zu summen.
    »Davina, hörst du mich?«, vernahm sie mit einem Mal eine Stimme, die aus dem Unterholz kam.
    »Mama!« Ein entrück tes Lächeln legte sich auf ihr Gesicht. Sie stand auf, tastete

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