G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke
Küchentisch und pusselte an Hoovers magischer Schachtel herum. Sie und Joan hatten während der ganzen Zugfahrt von Atlantic City zurück versucht, sie aufzukriegen, aber ohne Erfolg; ein zweiter Versuch, während des Abendessens, hatte gleichfalls mit Frustration geendet, worauf Joan sich eine anderweitige Beschäftigung gesucht hatte und Kite ins Bett gegangen war. Bei Sonnenaufgang wieder aus den Federn, hatte sie beschlossen, es noch einmal zu probieren, und hatte tatsächlich gewisse Fortschritte gemacht. Oder zumindest ergaben die verschiebbaren Plastik-plättchen jetzt ein anderes Muster als zu Anfang.
Kite warf einen Blick auf die Elektro-Lampe, die auf der Mikrowelle stand. Sie fragte sich, was die plötzliche Bemerkung veranlaßt haben mochte; Ayn hatte ihr seit über einer Stunde vollkommen schweigend zugesehen.
»Hut ab vor Ihrer Beobachtungsgabe«, entgegnete sie.
»Es ist technisch ohne weiteres möglich«, sagte Ayn, »ein solches abgetrenntes Glied zu ersetzen.«
»Wenn man das Geld dazu hat, ohne weiteres. Und den Wunsch.« Kite zuckte die Achseln. »Ich bin seit meinem dreiundzwanzigsten Lebensjahr ohne ausgekommen, Miss Rand. Jetzt wär's den Aufwand kaum noch wert.«
»Kein vernünftiger Mensch würde freiwillig ein Krüppel bleiben.«
»Dann bin ich wohl nicht vernünftig.«
Ayn stieß einen unwirschen Rauchring aus. »Und wodurch haben Sie Ihren Arm verloren?«
»Mangel an Vernunft. Es gab einen Krieg. Ich hab mich freiwillig gemeldet.«
Der Steinerne Mönch grunzte; es konnte auch ein Schmunzeln gewesen sein. Der Steinerne Mönch hatte in Syrien das Gesicht verloren und hielt die beschädigte Stelle, die nicht einmal die moderne Wissenschaft zu reparieren vermocht hatte, unter einem um den Kopf geschlungenen Tuch versteckt. Seine Hände waren allerdings noch so gut wie neu. Als Kite ihre Arbeit unterbrach, um sich eine Zigarette zu drehen, nahm er ihr die magische Schachtel ab und untersuchte sie mit den Fingerspitzen.
»Zu Beginn der Kriegshandlungen war ich im zweiten Michi-gan-Regiment«, sagte Kite. »Hab als Sanitäter angefangen - als männlicher Sanitäter. Und mein erster Hilfssanitäter war ein Chinese, ein Untergefreiter namens Ting Lao ...«
»Untergefreiter?«
»Naja, das war ein besonderer Dienstgrad, den sie extra für ihn erfunden haben. Weil er Chinese war. In Flint, Michigan, geboren, aber chinesisch anzusehen, und die Leute haben damals ganz schön hingesehen. Beinah hätten sie ihm überhaupt keinen Dienstgrad gegeben, aber ich glaub, ein paar von den Jungs im Blauen Offizierskorps hielten das wohl für wahnsinnig komisch, wie einem Murmeltier eine Hose anzuziehen, also haben sie eine blaue Uniformjacke genommen, einen halben Winkel drauf genäht und sie ihm gegeben.
Mein großer Fehler - mein zweiter großer Fehler, nachdem ich mir eingebildet hatte, der Krieg würde ein tolles Abenteuer werden - war, daß ich Lao wie ein menschliches Wesen behandelt hab. Ich hatte noch nie vorher einen Asiaten gesehen, und ich garantiere Ihnen, daß er wirklich was von einem großen Nagetier hatte (fand ich damals jedenfalls), aber ich hielt das irgendwie nicht für einen zureichenden Grund, ihn zu quälen. Anders als gewisse andere Angehörige unserer Befreiungsarmee behandelte ich ihn freundlich und respektvoll, und zum Dank verliebte sich der kleine Bastard in mich.
Als ich beschloß, vom Sanitätsdienst zur Infanterie zu wechseln und mich an die Front meldete - Fehler Nummer drei -, blieb Lao bei mir. >Großer Bruder Thompsons nannte er mich. Während unseres ersten Gefechts hielt er sich hinter mir versteckt wie ein Gewitterbeobachter hinter einem Windschutz, was ich ihm nicht verdenken kann. Wenn Sie einen guten Eindruck von irrationalem Verhalten bekommen wollen, Miss Rand, sollten Sie sich mal eine Reihe von erwachsenen Männern ansehen, die wie die Hammel in ein Sperrfeuer von Minieku-geln und Geschützmunition marschieren. An dem Tag hab ich fünfzig Männer sterben sehen, darunter einen in nächster Nähe, durch einen Bajonettstich, und damit hat der Krieg jede Romantik, die ich ihm vorher angedichtet haben mochte, endgültig verloren.
Ich spielte mit dem Gedanken zu desertieren. Es wäre leicht genug gewesen, Waffen, Uniform und Flose abzulegen und das Lager als Frau und Zivilistin zu verlassen. Ich würde gern behaupten, daß es mein Glaube an die Gerechtigkeit unserer Sache war, was mich zum Bleiben veranlaßte, aber die Wahrheit ist ein undurchsichtigerer
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