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G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

Titel: G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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eine Eingangshalle als ein überdachter Canyon, mit terrassierten Felswänden, die zu beiden Seiten emporragten. Künstliche Katarakte unterbrachen in Abständen die Terrassen, während beleuchtete Springbrunnen und penibel gestutzte Bäume und Sträucher die Sohle der Schlucht säumten. Zu Ehren der berühmten hängenden Gärten von Babylon baumelten flache Keramikkästen mit üppig wucherndem gentechnisch verbessertem Efeu an langen Kabeln von der Decke herab; Elektro-Kolibris schwirrten von Ranke zu Ranke, spendeten ihnen tröpfchenweise Wasser, fächelten den Staub von ihren Blättern und gerieten gelegentlich ins Trudeln und knallten gegen die Klippen.
    Der Canyon mündete in einen halbkugelförmigen Raum, der groß genug war, um die Kuppel der Peterskirche in sich aufzunehmen und oben noch genug Platz für einen erzürnten Schweizer samt Armbrust zu lassen. Ein wuchtiger Kupferglobus hing an einer Kette vom Scheitel der Kuppel herab; er schwebte einen Meter über dem gebeugten Rücken und den Schultern eines Kolosses, dessen Gesicht den Ausdruck eines von lebenslanger Fron befreiten Sklaven verriet, eine Mischung aus Freude, Hoffnung, Stolz, Rechtschaffenheit und einem harten Kern von Irrsinn. Am Sockel der Statue erklärte eine behauene Tafel: Atlas wirft die Welt ab.
    »Was meinen Sie, Ayn?« fragte Joan. Sie hielt die Elektro-Laterne hoch über ihrem Kopf, um dem Lampengeist einen besseren Ausblick zu gewähren.
    »Ich meine«, sagte Ayn mit einem aufrichtig versonnenen Ausdruck, »daß, wenn Sie den Mann zu lieben vermochten, der dies hier gebaut hat... wenn Sie sich in ausreichendem Maße mit seinen Wertvorstellungen identifizieren konnten, um ihn zu heiraten ... daß dann noch Floffnung für Sie bestehen könnte. Ihr Engagement für sogenannte liberale Bestrebungen wie den Umweltschutz entlarvt Sie zwar als eine Altruistin und Muskel-mystikerin, aber vielleicht sind Sie doch noch nicht unrettbar verloren. Ich werde Sie in der Tugend des Eigennutzes unterweisen müssen.«
    »Ah, gut«, sagte Joan. »Klar.«
Hydrakontrolle
    »Sie behaupten also, Ihre objektivistische Philosophie sei vollkommen widerspruchsfrei«, sagte Kite, während der dritte Fahrstuhlabschnitt sie vom 120. zum 180. Stockwerk des New Babel beförderte, »und daß jeder, der auch nur den kleinsten Bruchteil davon anerkennt, sie zwangsläufig in ihrer Gesamtheit akzeptieren muß.«
    »Das ist korrekt«, sagte Ayn Rand.
    »Was dahingehend ausgelegt werden könnte, daß jeder, der an die Macht der Vernunft glaubt, der sich selbst als ein rationales Wesen betrachtet, grundsätzlich mit allem übereinstimmen muß, was Sie sagen.«
    »Da ich recht habe«, sagte Ayn, »wüßte ich nicht, warum nicht alle rationalen Menschen mit mir übereinstimmen sollten.«
    »Klar... und daraus folgt, wie Lee aus Robert E. folgt, daß jeder, der nicht mit Ihnen übereinstimmt, per defmitionem irrational ist.«
    »Wenn dieser Jemand außerstande wäre, mir einen konkreten Fehler in meinen Prämissen nachzuweisen oder einen nicht aufgelösten Widerspruch in meinen Schlußfolgerungen aufzudecken, ja, dann wäre er irrational - und wenn er darauf beharrte, die Wirklichkeit zu leugnen, nachdem ihm die Wahrheit dargelegt worden ist, dann wäre er auch unmoralisch.«
    »Und auf diese Philosophie sind Sie wann gekommen?«
    »Vor Ewigkeiten. Solange ich zurückdenken kann, habe ich diese Philosophie vertreten. Wenn ich intellektuell überhaupt jemandem etwas verdanke, dann Aristoteles; die gesamte Geschichte des abendländischen Denkens seit dem vierten vorchristlichen Jahrhundert läßt sich auf einen Kampf zwischen Aristotelischer Logik und Platonischem Mystizismus reduzieren.«
    »Und dann sind Sie aufgetaucht, um die Lücken im System des Aristoteles zu schließen.«
    »Um es von den letzten Spuren von Piatonismus zu befreien. >Platon ist uns teuer<, soll Aristoteles gesagt haben, >noch teurer aber ist die Wahrheit.* Der erste Teil der Aussage ist sentimentale Verirrung; Piaton ist nicht teuer, er ist verachtenswert. Nur die Wahrheit ist teuer. Die Wahrheit, wie sie ein rationales Bewußtsein erfaßt.«
    »Der gesunde Menschenverstand, mit anderen Worten.«
    »Ja, sofern der Terminus nicht implizieren soll, ein solcher >gesunder Verstand« sei allen Menschen gemein. Tatsächlich ist er erschreckend selten anzutreffen.«
    »Aber das ist genau der Punkt, den ich nicht verstehe, Miss Rand«, sagte Kite. »Verzeihen Sie meine Respektlosigkeit, aber wenn Sie wirklich an

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