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G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

Titel: G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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verwerflich, einen Wohltäter anzulügen. Aber A istA, wie? Arglistige Täuschung ist Diebstahl, und Diebstahl ist unmoralisch. Oder wollen Sie jetzt vielleicht sagen, es sei nicht so, die Wahrheit sei denn doch ein bißchen komplizierter?«
    »Sie Miststück«, sagte Ayn. »Sie MistslücM«
    »Ich war gezwungen, ein Miststück zu sein«, erwiderte Joan. »Jesuitin durfte ich nicht werden. Aber jetzt verstehen Sie, was ich damit meine, sich mit Grautönen herumschlagen zu müssen ... und warum ich der Meinung bin, daß Mitgefühl auch eine rationale Tugend ist.«
    »Sie sind ein Monstrum! Ein wolkenkuckucksheimelndes, muskelmystifizierendes subjektivistisches Monstrum!«
    Joan lachte. »Aus welchem Werk des Aristoteles beziehen Sie eigentlich Ihre Repliken, Ayn? Gibt's zur Rhetorik einen speziellen Anhang übers Beschimpfen?«
    Ayn schüttelte bloß den Kopf. »Das ist mir unbegreiflich«, sagte sie. »Wie konnte ein Genie wie Harry Gant nur Ihresgleichen heiraten?«
    »Ach so«, sagte Joan, »das. Stimmt, das war ja die Ausgangsfrage, nicht? Na ja, das wird Ihnen zwar nicht sonderlich schmecken, aber daß Harry und ich geheiratet haben, war hauptsächlich aus Jux.«
    »Aus Jux?« sagte Ayn.
    »Es ist während einer Geschäftsreise in den Westen passiert, ein knappes Jahr nachdem ich die Stelle als Harrys Regulatorin angenommen hatte. Im Oktober 09 hat Harry den Aufkauf des Lone Star Supertrain abgeschlossen, woraus dann das erste Teilstück des Transrapid-Netzes wurde, und wir sind nach Dallas gefahren, um den Deal zu Ende zu bringen. Dann mieteten wir einen Kleinbus und sind eine Woche lang durch den Südwesten gefahren und haben die nötigen Wegerechte ausgekundschaftet, um die Zugstrecke von Texas bis Kalifornien weiterzuführen. Nur wir beide, allein auf dem offenen Highway, Harry völlig ausgeflippt über sein neues Spielzeug, ich im Höhenrausch wegen dem Umweltschutzabkommen, das ich gerade mit Dow Tanzania ausgehandelt hatte, und, na ja ... Hab ich erwähnt, daß Harry und ich in meiner Harvarder Zeit zusammengewesen waren?«
    »Nein«, sagte Ayn, nicht als Antwort, sondern in entsetzter Vorahnung.
    »Doch«, sagte Joan. »Die gegenseitige Anziehung war auch nach mehreren Jahren noch immer stark, aber als wir uns zum erstenmal wiedergesehen haben, waren wir Gegner, und als das aufgehört hat, waren wir einfach zu sehr mit der Reorganisation von Gant Industries beschäftigt, um ans Vögeln zu denken. Aber die paar Tage im Auto haben uns Zeit und Gelegenheit gegeben, wieder aufeinander aufmerksam zu werden. Natürlich stand einer Affäre - jetzt, wo Harry de jure mein Chef war, auch wenn er sich meist nicht wie ein Chef verhalten hat - ein ethisches Hindernis entgegen; ein politisches Hindernis auch noch, denn ich befand mich bereits im Kriegszustand mit der Kreativen Buchhaltung, und ich konnte mir gut vorstellen, wie Clayton Bryce reagiert haben würde, wenn er gehört hätte, daß ich mit Harry ins Bett ging. Also haben wir, nachdem das Thema einmal auf dem Tisch war, fünfzehnhundert Kilometer lang praktisch nichts anderes getan, als über die Sache zu reden - besonders über die Hindernisse und wie wir es wohl schaffen könnten, sie zu umgehen -, wie zwei Eisenbahnbarone, die einen Weg zu finden versuchen, ein Monopol zu errichten, ohne gegen irgendwelche Antitrustgesetze zu verstoßen. Mit vereinten Kräften brachten wir eine Menge verrückter Ideen zusammen, aber auf die allerverrückteste kam Harry...«
    »Sie haben doch nicht...« sagte Ayn. »Sie können doch nicht...«
    »Wir waren mittlerweile in Nevada«, sagte Joan, »also konnten wir doch. Schnellverfahren, ohne Bluttest, ohne Wartezeit - zur Heiratsurkunde gabs sogar einen Ehevertrag als kostenlose Draufgabe.«
    »Sie haben ihn geheiratet ?« Ayn kreischte fast. »Bloß um mit ihm -«
    »Im nachhinein betrachtet, war es eine ziemliche Dummheit. Geradezu kindisch von uns. Einen Monat später fiels sogar uns schwer nachzuvollziehen, was eigentlich in uns gefahren war. Und natürlich ging Clayton Bryce durch die Decke, als er davon erfuhr, womit einer der Hauptgründe, warum wir es überhaupt getan hatten, hinfällig wurde. Ich kann nur soviel sagen, daß es in dem Moment durchaus vernünftig erschienen war. Oder nein, nicht vernünftig: klasse, wie eine klasse Idee. Aber wahrscheinlich müßte man dabeigewesen sein, ums zu begreifen.«
    »Verwerflich! Die Institution der Ehe dadurch zu entwürdigen -«
    »He, he!« sagte Joan in warnendem Ton.

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