Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

Titel: G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
Vom Netzwerk:
jüdischen Ludditen namens Morris Kazenstein kennenlernte. Der gerade eben volljährige Morris stellte sich als »die Antwort der Lower East Side auf Thomas Alva Edison« vor. Er behauptete, Konstruktionspläne für Hunderte nützlicher Geräte zu besitzen, hatte aber aus persönlichen Gründen geschworen, daß keine seiner Erfindungen je in die Hände des Militärs geraten würde. Und da Verteidigungsministerien sich überall auf der Welt umsonst oder zu inflationären Preisen bei der Privatindustrie zu bedienen pflegten, hatte Morris entschieden, die einzige ihm verbleibende ehrenwerte Möglichkeit, seinem Beruf nachzugehen, sei, ein Gesetzloser zu werden. Dies vorausgeschickt, was hielte Philo davon, sich Morris' Idee einer »wohltätigen Öko-Piraterie« anzuhören?
    Philo hörte zu; man schloß einen Pakt. Am nächsten Morgen machten sie sich an die Ausarbeitung eines Plans, dessen Verwirklichung über ein Jahrzehnt in Anspruch nehmen würde.
    Und so war der nunmehr siebenundvierzigjährige Philo heute ein Pirat - vielleicht der berüchtigste Pirat aller Zeiten, mit Sicherheit aber derjenige mit den höchsten Einschaltquoten. Morris fungierte als sein erster Offizier und technischer Zauberkünstler, dessen Erfindungen mittlerweile nicht nur in die Hunderte, sondern in die Tausende gingen. Die »Yabba-Dabba-Doo« erlangte rasch mythischen Ruf.
    Um halb zehn pfiff Morris über die Gegensprechanlage: »Brücke an Kapitänskajüte.«
    Philo nahm sein Mikrophon in die Hand, das wie ein Dodo geformt war, und sprach in den Schnabel: »Was gibt's?«
    »Zielobjekt gesichtet. Deine Lieblingssorte, Philo.«
    »Ein Gant-Schiff?«
    »Unbewaffnet und ohne Geleitschutz.«
    Zwei Blauhamster galoppierten an der Decke über Philo vorbei und purzelten in der Eile übereinander; Philo lächelte. Er klappte seinen werdenden Roman zu und legte seinen Stift weg. »Bin gleich oben«, sagte er.
Zielortung
    Das erste Unterseeboot überhaupt, das in einem Krieg eingesetzt wurde, war die amerikanische »Turtle«, ein von David Bushneil, einem Yale-Studenten, im Jahr 1776 konstruiertes, von Hand angetriebenes Ein-Mann-Fahrzeug. Der einzige belegte Kampfauftrag der »Turtle« (die wenig mehr als ein eiförmiges Faß mit einem Tauchtank war) - die Versenkung des britischen Flaggschiffs »Eagle« mittels einer Schießpulver-Zeitbombe - erwies sich als ein totaler Reinfall, und so wurde das U-Boot zuletzt abgewrackt, ohne dem Feind auch nur einen einzigen Verlust beigebracht zu haben.
    Hinsichtlich ihrer Größe, Konstruktion und militärischen Schlagkraft hatten U-Boote seit damals erhebliche Fortschritte gemacht, doch sie waren stets enge, platzangsterregende Angelegenheiten geblieben. Ihrer Natur nach Anschleichwaffen, ihrem Charakter nach ernst und todbringend, hatte noch keiner der Konstrukteure die Idee gehabt, einen vergnüglichen Aufenthaltsort daraus zu machen. Einen bequemen, wenn möglich, durchaus - die Moral der Besatzung war in Kriegszeiten ein sehr wichtiger Faktor -, aber einen vergnüglichen mit Sicherheit nicht.
    Nun, scheiß drauf. Mit dem Begriff der »wohltätigen Piraterie« hatte Kazenstein bereits ein Oxymoron ins Spiel gebracht, also warum hätte man sich vor einem zweiten scheuen sollen?
    Selbst wenn man die dreifachen Beschränkungen der technischen Machbarkeit, der Gesetze der Physik und seines bescheidenen umweltschützerischen Auftrags in Rechnung stellte - wer sagte, daß die »Yabba-Dabba-Doo« nicht ein fröhliches Kriegsschiffwerden konnte?
    Morris hatte sein Bestes getan. Ebenso als Arche wie als Kampfmaschine konzipiert, hätte das Riesen-Familien-U-Boot ohne weiteres zweihundert Menschen aufnehmen können, mit genügend Atem- und Ellbogenfreiheit für jeden. Aber dank einer Reihe genialer arbeitssparender zentralisierter Kontrollsysteme kam das Boot mit einer bloß vierzehnköpfigen Besatzung aus - und zwar mehr als dicke aus. Damit blieb haufenweise Platz für eine wissenschaftliche Bibliothek, einen Fitnessraum, eine Elektronik- und eine Maschinenwerkstatt, eine hervorragend ausgestattete Veterinärkrankenstation und einen acht Personen fassenden Holzbadebottich, ganz zu schweigen von den zahlreichen frei gehaltenen Maskottchen der unterschiedlichsten Spezies. Die »Yabba-Dabba-Doo« war darüber hinaus das einzige bekannte U-Boot, das ein Arboretum enthielt.
    Entlang dieser malerischen Strecke wanderte Philo nun in Richtung Bug; er ging durch mehrere wasserdichte Türen und blieb unterwegs kurz zu einer

Weitere Kostenlose Bücher