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G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

Titel: G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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in Mrs. Butterworths »Heim für bedauerlicherweise heimatvertriebene eingeborene Waisen« in Osceola, Arkansas, aufgewachsen. Sein amtlicher Name war dort Ringo Beefheart gewesen - nach den zwei Lieblingsmusikern von Mrs. Butterworth -, aber die anderen Kinder, größtenteils Halbblut-Prärieindianer, nannten ihn Ringo Iglu. Als er, im Alter von fünfzehn, genug davon gehabt hatte, war er in einer Sommernacht abgehauen und in den Mississippi gesprungen. Ein selbstgebasteltes Floß aus Styropor-chips und Plastikmüllsäcken trug ihn bis hinunter in den Golf von Mexiko; als er dort ankam, war er halb verhungert, phantasierte und rief halluzinierten Kellnern zu, sie möchten ihm Walspeck und Eiscreme bringen. Zum Glück kam die »Yabba-Dabba-Doo«, die sich auf ihrer ersten ausgedehnten Probefahrt befand, gerade vorbei. Philo und Morris sammelten Ringo auf, nur wenige Stunden bevor ein tropischer Sturm losbrach, der jede Spur seines irdischen Daseins ausgetilgt hätte. Der Junge wurde an Bord des U-Bootes genommen, aufgepäppelt und in Ökologie unterrichtet. Jetzt verdiente er sich seinen Lebensunterhalt damit, daß er ganze Schiffsbesatzungen zur Strecke brachte - eine Laufbahn, von der er in Osceola nicht einmal zu träumen gewagt hätte.
    Solange Ringo sich noch in ihrer Obhut befunden hatte, war Mrs. Butterworth bemüht gewesen, ihm ein Bewußtsein seines ethno-lculturellen Erbes einzuflößen. Bedauerlicherweise war das einzige ihr bei diesem pädagogischen Unterfangen zur Verfügung stehende Lehrwerk die 1992 er Auflage der World Book Encyclopedia gewesen. Der Artikel »Eskimos« umfaßte darin lediglich zehn Seiten. Ringo holte aus ihnen soviel heraus, wie er konnte, und ergänzte sein Wissen durch Informationsschnipsel aus einschlägigen National-Geographic-fteiträgen und der Videofassung von Nanuk der Eskimo.
    Das Wort »Eskimo«, erfuhr er (Mrs. Butterworth las ihm auf dem Spielplatz vor, während die anderen Kinder sich gegenseitig mit saugnapfbewehrten Pfeilen beschossen), stammte aus einer nordamerikanischen Indianersprache und bedeutete soviel wie »Rohfleischesser«; seine eskimo-kanadischen Vorfahren bezeichneten sich selbst allerdings als »Inuit« oder »Menschen«. Ringo wußte nicht, welcher Name ihm mehr zusagte, aber es gefiel ihm, daß er die freie Wahl hatte. Er fällte den Entschluß, selbst ein Rohfleischesser zu werden. Im Heim (wo ein antisemi-tischer Ernährungsfachmann dafür sorgte, daß die Kinder dreimal die Woche Schweinekoteletts vorgesetzt bekamen) bedeutete dies ein ununterbrochenes Spiel mit der Trichinose, aber auf der »Yabba-Dabba-Doo« hielt ihm Philo einen Vortrag über die Gefährlichkeit von Parasiten und machte ihn mit Sushi bekannt. Nachdem damit eine ethnisch korrekte Diät festgelegt worden war, machte sich Ringo daran, seinen sonstigen Lebensstil zu überarbeiten.
    Eskimos waren abgehärtete Leute, die arktische Temperaturen ertrugen, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Sie bauten sich Häuser aus Eis und Karibufellen und wuschen sich nie. Morris Kazenstein glaubte, Ringo mache Witze, als er darum bat, seine Kajüte auf minus 35 Grad abzukühlen, aber dann nahm er die technische Herausforderung, die dieser Wunsch implizierte, mit Begeisterung an. Er räumte eine Doppelkabine leer, isolierte sie und stattete sie mit einem FCKW-freien akustischen Kühlsystem aus. Der Fußboden wurde mit Kunstschnee bedeckt, ein Wasserbett wurde installiert, gefroren und mit imitierten Walroßhäuten umwickelt, und um das Wasserbett herum wurde ein Iglu gebaut. Morris bestand darauf, daß Ringo während der ersten Nacht in seinem neuen Wohnraum einen Biomonitor trug, der im Falle, daß sich bei ihm Anzeichen einer Unterkühlung bemerkbar machten, Alarm schlagen würde, aber er überstand die Kälte wie ein echter Sohn der Arktis und wachte zwölf Stunden später erfrischt und munter auf - endlich in seinem Element.
    »Aber du mußt dich waschen«, sagte Philo zu ihm.
    »Inuit waschen sich nie«, beharrte Ringo.
    »In Unterseebooten schon, jedenfalls wenn sie Wert darauf legen, daß sich andere Leute mit ihnen unterhalten. Laß das Wasser eiskalt laufen, wenn du möchtest, aber einmal die Woche gehst du unter die Dusche.«
    »Der spinnt«, sagte Morris, als man ihn über die neuste Entwicklung in Kenntnis gesetzt hatte. »Nicht mal sexuell Unterdrückte duschen heutzutage noch freiwillig kalt.«
    »Hör mal«, entgegnete Philo, »du bist doch derjenige, der sich gerade eine

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