Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

Titel: G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
Vom Netzwerk:
ran. Sie reckte sich nach einem Buch, und Maxwell sah, daß sich an der Vorderseite ihrer Weste keinerlei Marke befand. Das schlug dem Faß den Boden aus.
    »Wo ist deine Erkennungsmarke?« fragte Maxwell streng. Sie drehte sich nach ihm um; die pelzige Gestalt auf ihrer Schulter war doch keine Ratte, sondern ein kleiner Biber mit Schutzbrille und -heim, der tatsächlich redete. »Alarmstufe gelb, Seraphina«, sagte er. Maxwell hörte das allerdings nicht, denn inzwischen hatte er ihre Augen gesehen.
    Grün. Grüne Augen in einem schwarzen Gesicht.
    »Alarmstufe rot!« warnte der Biber und klatschte mit seinem Schwanzpaddel der Negerin auf den Rücken. Sie stand auf und zog, als Maxwell schon nach ihr griff, an ihrer Weste den Reißverschluß einer fast unsichtbaren Tasche auf. Etwas Silberblankes und Flinkes biß Maxwell ins Handgelenk. Der stechende Schmerz schien seinen ganzen Arm hinaufzuschießen, so daß er in voller Länge wie von tausend Nadeln gepikt prickelte. Dann baumelte der Arm wie tot an seiner Seite.
    Ihre Stirn glänzte vor Schweiß, noch eine Sache, die nicht stimmte. »Du hast mich nicht gesehen«, sagte sie zu ihm. »Du hast mich nie gesehen.«
    »Scheiße, und ob ich hab«, sagte Maxwell und holte wieder, diesmal mit dem anderen Arm, nach ihr aus. Sie hatte sich umgedreht und entfernte sich bereits. Es erforderte drei stampfende Schritte seines Elektro-Beines, um sie einzuholen. Diesmal biß ihn der Biber. Das war kein anästhetisierender Stich; es war ein Gefühl, als steckte man die Hand in einen Schraubstock. Maxwell stieß einen Schrei aus und kippte um.
    Im Fallen riß er mit der Schulter mehrere Bücher aus dem Regal. Eine Illustrierte Geschichte des pornographischen Films, die er erst vor einer Stunde dort versteckt hatte, knallte neben ihm auf den Boden und klappte auf. Als Maxwell einen Moment später wieder zu sich kam, lag er auf der Seite ausgestreckt und starrte fischäugig auf die schwellenden Formen des Hardcorefilmstars Marilyn Chambers (mittlerweile eine Mittsiebzigerin, die im kalifornischen San Luis Obispo das Leben einer Sozialarbeiterin i.R. führte). Die falsche Elektro-Negerin mit dem Biber auf der
    Schulter blieb in sicherem Abstand kurz stehen und bedachte ihn mit einem grünen Abschiedsblick.
    »Du hast mich nicht gesehen«, wiederholte sie. Dann verschwand sie durch die Wand.
    Maxwell drehte durch.
Das Privateste Lesezimmer Von Allen
    Geheimgänge waren in der New Yorker Stadtbücherei eigentlich nicht vorgesehen gewesen, aber das kommt eben dabei raus, wenn man ein irisches Architektenbüro beschäftigt.
    Als das Empire State Building in der Christnacht 06 mit einem gewaltigen BOEING! explodierte, schoß sein Antennenmast wie eine Rakete davon und bohrte sich in den Bauch eines CNN'Kleinluftschiffs, das sich gerade für eine Liveübertragung des 747-Absturzes vor Ort befunden hatte. Die Pilotin blieb tapfer an Bord und sendete ein ununterbrochenes Videosignal an die CNN-Zentrale in Atlanta, während sie in der Hoffnung, eine Notlandung im Central Park zu schaffen, ihr sinkendes Luftschiff zwischen den Wolkenkratzern der Fifth Avenue in nördlicher Richtung steuerte. Auf Höhe der 42nd Street veranlaßte ein Mikrotaifun den Kunststoff-Tragkörper, sich vollends aufzulösen und Pilotin, Gondel und Dachmast aus einer Höhe von zweihundert Metern fallen zu lassen; das letzte Bild, das die Zentrale erreichte, war eine gezoomte Nahaufnahme eines graffitiverschmierten Steinlöwen.
    Man sprach davon, die Japaner mit dem Wiederaufbau der Stadtbücherei zu betrauen. Bürgermeister Waldo Twitty war davon überzeugt, daß Japan bereits eine heimliche Mehrheitsbeteiligung an seiner Stadt besaß, so daß es das Vernünftigste sei, vor der offiziellen Übernahme noch so viele Pluspunkte wie möglich zu sammeln.
    »Aber Moment mal«, sagte der Dezernent für Bibliotheken und Familienplanung, als er den Kostenvoranschlag des Tokioter Top-Architekten geprüft hatte. »Sagen Sie mir eins, wenn wir die uns zur Verfügung stehenden Mittel in Yen umgetauscht ha-ben, um das hier zu bezahlen, wieviel wird uns für Bücherkäufe übrigbleiben?«
    Die Buchhalterin des Bürgermeisters führte einige Berechnungen durch. »Zwei Dollar und fünfzig Cent«, sagte sie.
    »Zwei Dollar und fünfzig Cent!« brüllte der Dezernent. »Haben Sie eine Ahnung, was man für zwei Dollar und fünfzig Cent bekommt? Ein Vierteltaschenbuch, das bekommt man dafür!«
    Also beschloß man, sich wegen der Architekten

Weitere Kostenlose Bücher