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G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

Titel: G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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abzudrehen. Während des Ersten Weltkriegs hatte man auf dem Dach ein Gewächshaus errichtet, um darin einen Siegesgarten anzulegen. Die in nächster Umgebung aufschießenden Wolkenkratzer und der damit einhergehende Rückgang direkter Sonneneinstrahlung hatten das Gewächshaus Mitte der vierziger Jahre in ein Gewelkhaus verwandelt, was es auch geblieben war, bis Joan 2018 das Gebäude kaufte. Sie hatte das trockene Gestrüpp hinausbefördert, Pflanzenleuchten installiert, ein paar Liegestühle aufgestellt und Blumen gepflanzt.
    Hier in diesem kleinen Garten Eden machten sie und Kite ihre häufigen Zigarettenpausen. Die zwölf langstieligen Rosen, die Harry geschickt hatte, verschwanden schier inmitten der zahllosen echten Tulpen, Osterglocken, Schwertlilien, Vergißmeinnicht, Lupinen und so weiter; ebenso ging der Geruch von Kil os und Joans Rauch im mannigfaltigen Gemisch von Düften unter. Der Sensor der Klimaanlage stellte das Vorhandensein von Schadstoffen in der Luft fest und schaltete sofort auf doppelte Leistung.
    »Ist Pferdediebstahl noch immer ein Kapitalverbrechen?« fragte Kite neugierig.
    »Florida ist der einzige Bundesstaat, in dem überhaupt noch für was auch immer die Todesstrafe vollstreckt wird. Aber ich bezweifle, daß Pferdediebstahl legalisiert worden ist - selbst in Nevada.«
    »Ah so«, sagte Kite und wechselte noch einmal das Thema. »Ich habe mich heute morgen wieder um einen Job beworben.«
    »Als Jockey?«
    »Sehr witzig. Bei Gant Construction, um ehrlich zu sein.«
    Joan lachte. »Du willst Harry helfen, New Babel zu bauen?«
    »Hättest du was dagegen?«
    »Nein. Aber was haben die gesagt?«
    »Das übliche. Kaum sagst du den Leuten, daß du hundertein-undachtzig Jahre alt bist, wollen sie dich nicht mehr einstellen.
    Ich hab versucht, denen klarzumachen, daß ein gesetzlich festgelegtes Rentenalter nur dann einen Sinn hat, wenn man stirbt, bevor man seine ganzen Ersparnisse aufgebraucht hat. Keinerlei Verständnis.«
    »Ich wette, wenn du an Harrys Mutter rankämst, würde sie dir bestimmt einen Job geben. Sie war ein richtiger Bürgerkriegs-Fan.«
    »Du bist immer noch der Meinung, ich sei genauso verrückt wie Maxwell, stimmt's?«
    »Nicht mal meine Mutter war so verrückt wie Maxwell«, sagte Joan. »Aber hunderteinundachtzig Jahre halte ich tatsächlich für ein klein wenig übertrieben, ja.«
    »Na dann los. Frag mich was.«
    »In Ordnung. Wer war der Vizepräsident während Lincolns erster Amtszeit?«
    Kite zuckte die Achseln. »Wer erinnert sich schon an Vizepräsidenten? Das ist eine blöde Frage.«
    »Das ist die Frage, die ich jedesmal wieder stelle. Du könntest ja nachschlagen.«
    »Und mich unglaubwürdig machen? Meine Unwissenheit sollte doch hinlänglich beweisen, daß ich ehrlich bin.«
    »Meinst du, ja?«
    »Denk an die Evangelien, Joan. Woher wissen wir, daß Matthäus, Markus, Lukas und Johannes ehrliche Menschen waren? Weil ihre Schilderungen vom Leben Jesu einander widersprechen. Wenn sie nämlich in allen Einzelheiten übereinstimmten, dann hätten wir Grund, argwöhnisch zu sein.«
    »Wenn du dich also in allen Einzelheiten an die 1860er Jahre erinnern würdest, dann wüßte ich, nach derselben Logik, daß du eine Betrügerin bist. Die Tatsache, daß du das nicht tust, beweist, daß du damals wirklich gelebt hast.«
    »Exakt.«
    »Das ist wahre Theologie«, sagte Joan und zündete sich eine neue Zigarette an. »Hast du dir nicht mal überlegt, dir einen gefälschten Ausweis zu besorgen? Du könntest behaupten, du seist erst sechzig. Reife Sechzig.«
    »Eher würd ich zurück nach Texas. Oder mir wieder einen Schambeutel umschnallen, wenn ich nichts anderes zu verbergen hätte als mein Geschlecht. Diese Runzeln hab ich mir ehrlich verdient.«
    »Was hieltest du dann davon, mir ein wenig zu helfen?«
    Kite schüttelte den Kopf. »Ich hab's bei der Abwässerbehörde schon mal probiert. Dasselbe Problem.«
    »Seit heute nachmittag arbeite ich nicht mehr in der Kanalisation«, sagte Joan. »Ich habe einen Auftrag von Lexa.«
    »Die Lexa, die die Zeitung herausgibt?«
    Joan nickte. »Sie hat mich gebeten, ein bißchen Detektiv für sie zu spielen. Kann möglicherweise gefährlich werden. Du könntest mir assistieren.«
    »Um was ginge es denn dabei?«
    »Eine Verschwörung.«
    »Eine Verschwörung«, staunte Kite. »Na, es ist schon ziemlich lange her, daß ich in eine verwickelt war.«
    »Du wärst also interessiert?«
    Die greise Soldatin zündete sich eine

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