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G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

Titel: G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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nein nein«, entgegnete Morris erschrocken. »Unsere Mission ist rein ökologisch motiviert und streng gewaltlos. Oder, naja, mehr oder weniger gehaltlos. Ich meinte damit einfach nur, daß eine sauberere Welt eine sauberere Welt für alle ist - Juden wie Araber.«
    »Aber die Araber«, merkte Heathcliff an, »werden in den Maschinenraum verbannt. Schwere körperliche Arbeit. Obwohl sie nicht weniger Vollakademiker sind als irgendein Jude auf dem Schiff.«
    »Verbannt? Ist es das, was ihr glaubt - daß ich euch verbannen will? Hey, Leute ... hey. Irrtum. Mißverständnis. Das ist überhaupt keine schwere körperliche Arbeit, im Gegenteil, das Schöne an der Gesamtkonzeption des Bootes ist -«
    »Schon gut«, sagte Klein Neil und setzte ein tragisches Gesicht auf, das noch den ärgsten Hardliner der Knesset zu Tränen gerührt hätte. »Wir sind's gewöhnt, die größten Entbehrungen zu ertragen. Und stark unterschätzt zu werden.«
    »Moment, Moment, hab ich ... ich hab doch nicht... Tut mir leid. Also ...«
    Sie heuerten alle an, aber erst nachdem sie Morris einen solchen Schuldkomplex eingeimpft hatten, daß er stante pede daranging, den Maschinenraum zu automatisieren, und er automatisierte ihn so gründlich, daß man kaum einen Finger krumm zu machen brauchte, damit alles ordnungsgemäß funktionierte. Er richtete ihn außerdem so komfortabel ein, daß nur wenige überhaupt auf die Idee gekommen wären, mehr als einen Finger krumm zu machen. So verbrachten die palästinensischen Kazensteins ihre Zeit auf See genau so, wie sie sie als Dozenten in Oxford zugebracht hätten - nur mit mehr Muße und einer besseren Bezahlung: erlesene Weine schlürfend, lesend und gelegentlich einen gelehrten Aufsatz oder zwei verfassend.
    Mit der Zeit begriff Morris zwar, daß er schamlos ausgenutzt wurde, aber diese Einsicht verstärkte seine Schuldgefühle nur noch. Denn schließlich - wenn er wirklich der ehrlichen Meinung gewesen wäre, daß seine arabischen Geschwister Menschen wie jeder andere auch waren, dann hätte es ihm doch keinerlei Probleme bereiten dürfen, ihnen zu sagen, sie möchten sich zum Teufel scheren; seine Unterwürfigkeit war der beste Beweis für seine Vorurteile. Er hätte mit der Faust auf den Tisch hauen sollen, das war ihm klar, aber die Angst, zu weit zu gehen, ins andere Extrem zu verfallen und zu einem wirklichen Despoten zu werden, lähmte ihn vollkommen. Seine Brüder und seine Schwester taten natürlich ihr Bestes, um ihn nicht aus dieser mentalen Zwickmühle herauszulassen.
    »Hi, Geschwister«, sagte Morris, der nur zögernd wie ein schüchterner Butler vor der Luke des Maschinenraums stand. »Zahltag, ist das nicht toll?«
    Die Fünflinge saßen an einem schmucklosen Spieltisch, spielten Cribbage und taten so, als langweilten sie sich, langweilten sich zu Tode; sie hatten ihn kommen hören. Nur Heathcliff sah auf, Heathcliff, der in den letzten Monaten eine gewisse Ähnlichkeit mit dem verblichenen Jasir Arafat entwickelt hatte.
    Er strich sich über den Dreitagebart und schnurrte: » Morris. Komm herein und trink einen Kaffee mit uns, Morris.«
    Morris erbleichte. Sie ließen ihn sowieso nie einfach gehen, ohne ihm vorher gehörig Stress gemacht zu haben, aber eine Einladung zum Kaffee war ein besonders schlimmes Vorzeichen. Mißtrauisch trat er an den Spieltisch, hielt ihnen die Lohntüten hin und versuchte, höflich abzulehnen: »Sind nur noch fünf Minuten bis zur Bucht... ich kann wirklich nicht bleiben.«
    »Nun«, sagte Mowgli, ohne den Blick von seinen Karten zu heben, »fühl dich zu nichts verpflichtet.«
    »Wirklich«, fügte Klein Neil hinzu, »es besteht keinerlei Notwendigkeit, unsere Gastfreundschaft anzunehmen. Wir sind ja schließlich nicht blutsverwandt.«
    »Obwohl«, sagte Oliver, »dein Vater uns natürlich immer mit Respekt behandelt hat.«
    Wenig später, als Morris vor einer dampfenden Tasse am Tisch saß, sagte Heathcliff: »Weißt du, worüber wir uns gerade unterhalten hatten?«
    Das was nicht schwer zu erraten. »Palästina?«
    Heathcliff nickte. »Wir hatten Erinnerungen nachgehangen. Der alten Zeiten, gut und schlecht, gedacht, unserer Kindheit in der West Bank ...«
    »Heathcliff, ihr wart noch nicht mal ein Jahr alt, als Dad euch nach London gebracht hat.«
    »Ja, die West Bank«, fuhr Heathcliff fort, als habe Morris überhaupt nichts gesagt. »Trotz Ausgangssperre stahlen wir uns nach Einbruch der Dunkelheit oft aus dem Haus und kletterten, unbemerkt von den

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