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G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

Titel: G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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israelischen Soldaten und Panzern, auf einen nahe gelegenen Hügel. Es gab da einen Mann, der auf dem Hügel wohnte, er war der älteste Mann in unserem Dorf, und wir besuchten ihn gern. Er hieß, äh ...«
    »Mohammed ... Brown«, sagte Galahad.
    »Ja, ja, der herrliche Mohammed Brown. Lang, lang ist's her...«
    »Heathcliff«, sagte Morris, »du warst damals noch kein Jahr alt. Wie konntest du auf einen Hügel klettern und jemanden besuchen, wenn du noch nicht einmal laufen konntest?«
    Heathcliff runzelte die Stirn und blickte wehmütig drein, als wollte er sagen: Du kannst mich natürlich jederzeit einen Lügner schelten. Morris verstummte beschämt. Heathcliff fuhr fort: »Mohammed besaß ein Radio. Vor der Besetzung war er ein reicher Mann gewesen, aber jetzt war das Radio sein einziger Luxus. Wir hörten bei ihm immer BBC... ich meine Radio Bethlehem. Nach Mitternacht brachten sie Rockmusik.«
    »Rockmusik?« Morris zuckte zusammen; jetzt waren alle Augen auf ihn gerichtet. »Ihr werdet doch nicht etwa singen, oder, Leute? Ihr wißt doch selbst, daß ihr leicht die Kontrolle verliert, wenn ihr singt...« ■
    Heathcliff rührte in seinem Kaffee. »Wir konnten den Gesang nicht immer verstehen, wegen der bellenden Hunde draußen und des ununterbrochenen Stampfens von Soldatenstiefeln. Wir haben uns unsere eigenen Texte ausgedacht. Irma, du weißt, an welches Stück ich denke ...«
    Morris schaute in die Richtung, in die Heathcliff genickt hatte, und sah jetzt erst, daß sich Irma Rajamutti an das Barockcembalo des Maschinenraums gesetzt hatte. Sie ließ ihre Fingergelenke knacken und hämmerte eine vertraute Akkordfolge in die Tasten: Dämm-rdamm-damm, damm-dä, dämm-damm-damm, damm-dä... Galahad und Oliver fielen klatschend und stöhnend ein, während Mowgli mit den Fingern schnippte.
    »Douie, Douie«, sang Heathcliff, wie Jasir Arafat seinerzeit wohl gesungen hätte, wenn er ein Rockmusiker gewesen wäre, »Pe Ell Oh, wir wolln nen Staat...«
    Klein Neil jammerte: »Jei-jei-jei-jei-jei...«
    »Douie, Douie, wir weichen nicht, wir wolln nen Staat ...«
    »Jei-jei-jei-jei-jei ...«
    Sie fingen an, sich auf ihren Stühlen zu winden. Morris versuchte zu fliehen, stolperte aber über einen Perserteppich und schlug längelang hin. Die vier Ecken des Teppichs wurden gepackt und in die Höhe gerissen. Morris flog auf und nieder, auf und nieder, wie auf einem Trampolin.
    Mowgli übernahm die erste Strophe: »Mit Sy-ri-en ma-chen wir nen Deal, Vanessa Redgrave ... dämm-damm-da-a ...«
    »Leute!« flehte Morris. »Leute, um Himmels willen, die Palästinenserfrage ist schon vor Jahren gelöst worden! Wenn ihr nicht mit Dad nach London gezogen wärt, dann hättet ihr inzwischen Anspruch auf die israelische Staatsbürgerschaft! Ihr bekämt vielleicht sogar das Wahlrecht zuerkannt! Leute ...«
    »Wir wolln nen Staat!«
    »Jei-jei-jei-jei-jei...«
    »Intifada!« schrie Heathcliff, und während Klein Neil das Solo auf der E-Sitar übernahm, wurde der Perserteppich ruckartig gestrafft. Aus einer der Plastikröhren, die kreuz und quer an der Decke des Maschinenraums verliefen, starrte ein blauer Hamster neugierig auf den ungefiederten Vogel, der auf ihn zugeschwebt kam; resigniert verschränkte Morris die Arme vor der Brust und konnte nicht umhin zu denken, daß Golda Meir sich eine solche Behandlung nie hätte gefallen lassen.
    Aber andererseits hatten ihre Eltern auch keine Kinder adoptiert.
Mehr alte Musik
    »Gott, würd ich Janis Joplin gerne vögeln!« sagte Betsy Ross.
    Im Radio von Lexas Käfer lief der Klassiksender WKRK. Für die allmontagabendliche Ur-Oldie-Iiitparade hatte der DJ eine DAT-Kopie von »Me and Bobby McGee« aus der Mottenkiste geholt.
    »Ich wette, es gibt noch ein paar Senioren, die durchaus den gleichen Wunsch haben«, sagte Lexa und schaltete in den Dritten. »Was die Verwirklichung desselben angeht, sehe ich allerdings gewisse Hindernisse, und ganz besonders, was dich betrifft, Bets.«
    »Naja«, sagte Betsy und knirschte mit dem Getriebe, »das war natürlich nur bildlich gesprochen ...«
    Toshiro Goodhead vollführte auf dem Rücksitz wilde Verrenkungen. Da er eben von der Arbeit kam, war er, abgesehen von weißen Manschetten und einer schwarzen Fliege, von der Taille an aufwärts nackt und versuchte gerade, in eines von Lexas Harvard-Sweatshirts hineinzukommen. Von Geburt an klaustro-phobisch veranlangt - der neunmonatige Zwangsaufenthalt im Mutterleib hatte sich bei dem eingefleischten

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