Gassen der Nacht
mischte sich mit dem Klopfen meines Herzschlags. Ich empfand den muffigen, aber auch stechenden Geruch noch intensiver als sonst, und die Zunge klebte mir am Gaumen.
Starr schaute ich nach vorn.
Im Laden bewegte sich nichts. Jedenfalls nicht innerhalb des Ausschnitts, den ich erkennen konnte. Ich blieb in der offenen Tür stehen. Das Glasschwert hielt ich in der rechten Hand, mit der linken bewegte ich die Lampe.
Wieder huschte der Strahl geisterhaft durch den Raum, berührte all die unheimlichen Gegenstände, die entweder in den Regalen standen, auf dem Boden aufgereiht worden waren oder ihre Plätze unter der Decke gefunden hatten.
Für mich war es schon normal. Von Semerias allerdings sah ich noch nichts.
War er da, war er nicht da?
Ich hoffte auf die letzte Möglichkeit, denn erst mußte ich den Spiegel zerstören.
Kara hatte mir geraten, Handschuhe zu tragen. Nur mußte ich sie erst einmal finden. Ich leuchtete in zahlreiche Regalfächer, in Ecken und Winkel, sah viel neuen Krempel, entdeckte auch alles mögliche, nur die Handschuhe, die ich gern gehabt hätte, die fand ich natürlich nicht. Dafür sah ich den Spiegel.
Noch immer zeigte sich innerhalb des Rahmens die dunkle Fläche. Daran hatte sich nichts geändert und auch nicht an dem ungewöhnlichen Muster in der Fläche.
Und doch war etwas anders geworden.
Vor dem Spiegel lag ein Gegenstand. In der grauen Düsternis wirkte er auf den ersten Blick wie ein zusammengerollter und leicht eingeknickter Teppich.
Allerdings nur auf den ersten Blick.
Der zweite Blick bewies mir, um wen es sich dabei handelte. Es war ein Mensch, ein Toter, und er hieß Eric Temple.
Jemand hatte ihn auf eine fürchterliche Art und Weise umgebracht, denn er schwamm in seinem eigenen Blut.
Da wußte ich, daß Semerias schon vor mir hier gewesen war und möglicherweise einiges ahnte…
Nicht mehr als zwei Schritte trennten mich von dem Spiegel. Zwischen ihm und mir lag der Tote. Es war schlimm, den Geruch einzuatmen, der mir entgegenwehte. Das Blut des Mannes hatte auf dem Boden eine dunkle Lache gebildet, deren Oberfläche leicht glänzte. Es war finster. Ich konnte keine Details sehen, doch es lag auf der Hand, daß Eric Temple auf ähnliche Art und Weise gestorben war wie sein Bruder. Das Blut war Zeuge genug.
In mir kochte eine irre Wut hoch. Ich behielt nur mühsam die Beherrschung. Warum war dieser Mann gestorben? Wollte Semerias alle Brücken hinter sich abbrechen und jeden vernichten, der mit seiner Existenz in irgendeiner Verbindung stand?
Ich stieg über den Toten hinweg. Mir fielen wieder die Handschuhe ein, die ich mir hatte besorgen sollen. Sie lagen wahrscheinlich irgendwo herum, aber die Zeit, durch das ganze Geschäft zu kriechen und in jeden Winkel zu schauen, durfte ich mir jetzt nicht mehr nehmen. Der Spiegel war wichtiger und natürlich Semerias, der verfluchte atlantische Werwolf. Er mußte sich irgendwo verborgen halten, versteckt im Dunkel des Geschäfts. Ich wollte dieses Dunkel erhellen, deshalb blieb ich neben dem Lichtschalter stehen.
Ich drehte ihn herum.
Das Licht flammte auf. An drei Stellen beleuchteten Lampen den Trödel. Das war alles normal. So kannte ich den Laden. Nichts wies auf einen bestialischen Killer hin.
Die Ruhe gefiel mir natürlich nicht. Der Geruch des Bluts hatte sich in meiner Nase festgesetzt. Ich holte trotzdem tief Luft und hob das Schwert an.
Glas gegen Glas!
War es überhaupt möglich, daß die Klinge es schaffte, den Spiegel zu zerstören? Für mich war es nicht so recht vorstellbar, weil die Fläche härteren Gegenständen widerstanden hatte.
Aber es gab hartes und es gab weiches Glas. Ich hoffte, daß mein Schwert hart genug war, und vertraute Karas Worten. Noch einen letzten Blick warf ich in das Geschäft. Die Bestie hatte sich nicht gezeigt. Eigentlich hätte sie sich mir stellen müssen!
Normalerweise konnte sie es nicht zulassen, daß ich den Spiegel zerstörte, denn damit würde ich ihr alles nehmen. Ich hob das Schwert an. Den Griff umfaßte ich mit beiden Händen. Die Waffe war gar nicht mal leicht. Ich konzentrierte mich auf den Spiegel. Noch immer sah die Oberfläche aus wie ein Puzzle, das jeden Augenblick zusammenfallen konnte. Seltsamerweise hielt es. Ich holte aus.
Und da hörte ich das Geräusch.
Es war nicht der Werwolf, der es verursacht hatte. Von außen wurde die Ladentür geöffnet, gleichzeitig drang eine Stimme an meine Ohren, die ich kannte.
Ray Ralston kehrte zurück.
Verdammt
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