Gast im Weltraum
Blick bemerkte, lächelte ich und rang mir einige Lobsprüche ab. Allem Anschein nach konnte sie nur aus dem Überfluß schaffen. Diese Betrachtungen brachten mich auf einen anderen Gedanken: Vielleicht wurde ich alt, trat zumindest in das gesetztere, reifere Alter ein, da ich bereits zur Toleranz gegenüber Anschauungen und Liebhabereien neigte, die ich ablehnte.
Immer mehr Menschen strömten in den Saal. Einzeln, zu zweit, in ganzen Gruppen erschienen Astronomen, Tektonophysiker, Gravimeter, Ingenieure, Künstler, Mathematiker, Metallurgen, Mechanoeuristen, Piloten und Biophysiker. Der hohe, dunkle Vorhang an der Eingangstür flatterte unausgesetzt wie ein Flügel. Deutlich hoben sich die hellen Gestalten von ihm ab. Alle waren festlich gekleidet. Ich sah schneeweiße und silberschimmernde Kleider, mit kaum angedeuteten Mustern, zartblauen Tönen oder grünlichen Schattierungen. Plötzlich entdeckte ich Zorin in einer der Gruppen und vermochte ein Lächeln nicht zu unterdrücken. Er war als einziger in einem grasgrünen Anzug erschienen, über dem sein rotblonder Haarschopf wie eine lodernde Flamme leuchtete.
Alle betrachteten mit gebührender Bewunderung das Werk der Videoplastiker und wußten offenbar nicht recht, was sie mit sich anfangen sollten. Die jungen Leute schleppten gläserne Tischchen auf die Terrasse hinaus. Im Nu herrschte dort ein heilloses Gedränge. Ich stand an der Wand, unschlüssig, was ich tun sollte. Da bemerkte ich einen der dienstbereiten Automaten. Er war, wie alles ringsum, völlig verändert. Die alltägliche, unauffällige Hülle war einem blitzenden, neuen Panzer und Helm gewichen. Ein Relief an seinem Stirnschild stellte eine mythologische Szene dar. Ich wollte es mir gerade näher anschauen, als mich plötzlich eine Mädchenstimme aus meinen Betrachtungen riß. „Nanu, Doktor, ein Flirt mit einem Automaten?“
Ein vielstimmiges Gelächter war die Antwort. Ich wandte mich um und stand vor einer Gruppe junger Gefährten, unter ihnen Nonna, Maja, der jüngere Rudelik, Songgram, Moleticz und ein anderer Historiker‚ dessen Namen ich mir niemals merken konnte – nicht, weil er schwer zu behalten war, sondern weil sein Träger, ein farbloser, unscheinbarer Bursche, in einer größeren Gesellschaft stets in den Hintergrund tritt, ja ein Teil dieses Hintergrundes wird.
„Flirt mit einem Automaten? So heißt doch ein Buch aus dem dreiund zwanzigsten oder vierundzwanzigsten Jahrhundert! Hab ich recht?“ fragte Maja ihren Begleiter und fächelte sich mit der langen, schmalen Hülle ihres Notizbuches Luft zu.
„Ist dir heiß?“ erkundigte sich der junge Mann, ohne ihre Frage zu beantworten. „Warte, ich bringe dir…“
„Nein, nein!“ Sie hielt ihn zurück. „Ich will ja, daß mich die Hitze quält. Mag es heute einmal ganz altertümlich zugehen. Schau mal, sogar die Automaten sehen aus, als kämen sie geradenwegs aus einem mittelalterlichen Schloß.“ „Im Mittelalter gab es keine Automaten“, erklärte Moleticz.
Maja, die sich noch immer Kühlung zufächelte, blickte mich schelmisch an und sagte: „Ich habe eben vorgeschlagen, über die Liebe zu diskutieren. Wir wollen feststellen, welchem Beruf sie am meisten ähnelt. Was meinst du, Doktor?“
„Halt, wir müssen die alphabetische Reihenfolge enthalten!“ wandte ihr Begleiter ein.
„Gut, dann bist du als erster dran, Songgram.“
„Mein Name fängt doch mit S an.“
„Du bist Astrogator. Dein Beruf beginnt mit einem A.“
„Na schön.“ Er blickte uns der Reihe nach an und sagte: „Liebe bringt schlaflose Nächte, wie mein Beruf. Bei beiden muß man wachsam sein. Ist einer verliebt, dann kann er nicht sagen, weshalb. Ich weiß auch nicht, weshalb ich Astrogator geworden bin. Die Liebe überwindet die trennende Entfernung zwischen den Menschen, und die Raumschiffahrt tut das gleiche zwischen den Sternen. Die eine wie die andere verlangt den ganzen Menschen, bei beiden bringt jede neue Entdeckung ebensoviel Freude wie Unruhe…“
„Da haben wir’s!“ unterbrach ihn der junge Mann. „Du hast alles vorweggenommen. Ich wollte eigentlich das gleiche von der Mathematik sagen.“ „Und ich von der Physik“‚ fügte Rudelik leise hinzu und schaute durch die geöffnete Flügeltür auf die Terrasse hinaus.
„Was meinst du, Doktor?“ fragte Maja.
„Ich weiß nicht recht…“ Ich stockte, denn ich erblickte Anna. Sie stand zwischen Zorin und Nils.
„Na und? Weiter!“ drängte Maja. Plötzlich wurde sie
Weitere Kostenlose Bücher