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Gast im Weltraum

Gast im Weltraum

Titel: Gast im Weltraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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unsicher, verlegen. „Warte… Mir hat es Spaß gemacht, es war meine Idee. Aber nun gefällt es mir auf einmal nicht mehr. Vielleicht ist es besser…“
    „Was willst du damit sagen?“ unterbrach Nonna.
    „Daß es unklug ist, damit zu spaßen.“
    „Hm, du hast recht“, bestätigte Nonna.
    „Ich weiß nicht, ob man es als unklug bezeichnen kann. Vielleicht ist es etwas gewagt…“, bemerkte Songgram.
    Maja wurde rot bis über die Ohren. „Ihr Heuchler!“ rief sie und stampfte entrüstet mit dem Fuß auf. „Anfangs habt ihr so getan, als ob ihr begeistert wärt!“
    Sie machte energisch kehrt und lief in den Saal. Die anderen folgten ihr. Ich sah zu Anna hinüber. Nils sprach lebhaft auf sie ein, und sie hörte ihm zu, wie sie allein zuhören kann, mit den Augen, dem Lächeln, dem ganzen Gesicht. Ich wollte zu ihr hingehen, unterließ es aber – ich weiß nicht weshalb – und trat auf die Terrasse hinaus. Die endlose Wasserfläche bewegte* sich ruhig, gleichmäßig, als atmete sie. Ich lehnte mich an die Brüstung. Vor mir hing ein Schlingpflanzenzweig. In einem halb geöffneten Blatt, wie in einer hohlen Hand, schimmerte ein echter Wassertropfen. In ihm erblickte ich mein Spiegelbild. Da verdeckte ein Schatten das Miniaturbild. Ich hob den Kopf. Neben mir stand Callarla.
    „Was gibt es denn dort Interessantes zu sehen, Doktor?“
    „Vor einem Jahr war ich bei dir. Es regnete… Aber das hast du sicherlich längst vergessen.“
    „Nein, ich weiß es noch ganz genau. Wie blau dieser Tropfen ist! Solche Tropfen fielen damals von der Dachtraufe. Weshalb denkst du daran?“
    „Ich weiß es nicht. In diesem Tropfen können Tausende Amöben herumschwimmen, nicht wahr?“
    „Natürlich.“
    „Das Blau, das sich in ihm spiegelt, ist für sie die Grenze, die sie nicht überschreiten können die Grenze ihrer Welt, der Himmel.“
    In den dunklen Augen Callarlas blitzte es auf. „Sprich weiter“, sagte sie. „Tausende Generationen haben nicht erlebt, haben nicht erfahren, wie es ist, wenn man den Himmel, den blauen Himmel verläßt. Wie die Amöbe, wenn sie die Grenze ihres Tropfens überschreitet…“
    „Das muß furchtbar sein… für die Amöbe“‚ flüsterte Callarla.
    „Wie gut du das verstehst!“
    Sie lachte tonlos. „Ich kenne mich unter Amöben aus. In dem, was du sagtest, steckt ein Körnchen Wahrheit; denn wir sind im Himmel.“
    „Nein.“ Ich schüttelte den Kopf. „Das sind wir nicht. Der Himmel, unser Himmel ist dort zu Ende, wo es keine weißen Wolken, kein Blau mehr gibt. Wir sind in der Leere des Raumes.“
    Die Augen der Frau wurden dunkel. „Sag – ist das schlimm?“
    Ich schwieg.
    „Möchtest du anderswo sein als auf der Gea?“
    „Nein.“
    „Na, siehst du!“ Sie machte eine Pause und fuhr mit völlig veränderter Stimme fort: „Als ich klein war, versetzte ich mich am liebsten in andere Menschen. Ich stellte mir vor, ein ganz anderer Mensch zu sein, so, als versuchte ich ein fremdes Leben. Das war reizvoll, es bezauberte mich; aber es war nicht gut.“ „Weshalb?“
    „Weil man der sein und bleiben muß, der man ist. Man darf sich nicht in fremde Geschicke versetzen wollen, aber…“
    „Aber?“
    Callarla schüttelte den Kopf. Ihr von der Sonne beleuchtetes Haar war wie goldene Wellen. Sie lächelte und ging…
    Ich starrte hinaus auf den dumpf brausenden Ozean.
    Ungewollt fing ich die Unterhaltung einiger Gefährten auf.
    „Also, bitte, hör mal zu“, sagte eine rauhe, tiefe Stimme. „Es sollte eine Freske werden, ungefähr so: Eine Schar behaarter Wilder stürzt aus einer Höhle. Ein primitiver Stamm im kultischen Tanz, verstehst du? Die Haltung priesterlich und wild, tierisch und menschlich zugleich. Verzweifelt quälte ich mich damit ab, aber es wollte mir nicht gelingen. Eines Tages traf ich einen Bekannten, einen Professor, der gleich von seinem Steckenpferd erzählte. Er langweilte mich vielleicht eine Stunde, schwatzte über seine Wassermopse, geriet immer mehr in Begeisterung, tanzte geradezu vor mir. Das war so etwas wie Vortragsekstase, verstehst du? Plötzlich – ich hörte ihm längst nicht mehr zu – verdrehte und bog er seinen Körper, als wollte er zu einer Pirouette ansetzen. Da durchzuckte es mich wie ein Blitz. Das ist es, ich hab’s! Verstehst du? In diesem Augenblick hatte ich den wesentlichen Punkt der ganzen Komposition erfaßt! Ich begann sofort zu skizzieren, und er, der Professor, nahm an, ich notierte mir das, was er sprach. Ist

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