Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gast im Weltraum

Gast im Weltraum

Titel: Gast im Weltraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
Vom Netzwerk:
entgegen, die feuchte Luft war mit dem süßlichen und zugleich herben Duft exotischer Blüten gesättigt.
    „So, nun darfst du die Augen wieder aufmachen“, sagte sie.
    Ich tat es und war starr vor Staunen.
    Vor mir lag ein riesiger Saal, der wohl die Hälfte der Gea einnahm. Seine Wände strebten senkrecht nach oben, und erst in der Höhe einiger Stockwerke neigten sie sich in sanften Bogen und Wölbungen einander zu. Flüchtig glitt mein Blick über lange, dunkle Galerien und weiße Säulen, die die Decke stützten; dann wurde meine ganze Aufmerksamkeit von dem Bild gefesselt, das sich an der Stirnseite des Saales bot. Weit geöffnete Flügeltüren führten auf eine breite, von einer steinernen Brüstung eingefaßte Terrasse, und dahinter dehnte sich endlos das lichtüberflutete Meer. Ich trat auf die Terrasse hinaus. Unter mir lag der Strand, in hellen Sonnenschein gebadet. Der feine Sand war mit den geriffelten Spuren bedeckt, die die Wellen zurückgelassen hatten. Mit dumpfem, unaufhörlichem Rauschen zogen sie vom Horizont heran, brachen sich auf dem flachen Ufer und liefen aus wie flüssiges, grünliches Glas.
    Ungefähr zwei Kilometer weit draußen, dort, wo die Wogen auf unsichtbare Riffe stießen, schäumte die Brandung. Mit zunehmender Tiefe wurde das Wasser dunkler. Seine scheinbar unbewegte, dunkelblaue Oberfläche endete am Saum des glühenden Himmels. Fern am Horizont, in bläulichen Dunstschleiern, rauchte ein Vulkan. Über seinem Kegel stand eine zerwehte Rauchfahne. Ich beugte mich über die Brüstung und erblickte den steilen, zerklüfteten Hang eines Felsens. Vom Meer her kam eine leichte, kaum spürbare Brise. Ich fuhr mit der Zungenspitze über die Lippen – sie schmeckten salzig.
    Plötzlich fluchte jemand hinter mir vor Begeisterung. Ich wandte mich um und erkannte den Piloten Yeryoga. Seine Augen glühten. „Verdammt noch mal… beim Kern der alten Atomphysiker!“
    Anfangs glaubte ich, ihm gefiele das videoplastische Panorama so gut; aber er fuhr fort: „Da könnte man schwimmen, was?“
    Er lehnte sich an die Brüstung, und es sah aus, als überlegte er‚ ob er hinunterspringen sollte oder nicht. Dann schlug er mit der Faust auf den Stein und kehrte in den Saal zurück. Ich folgte ihm. Der Saal war noch ziemlich leer. Die kleinen Gruppen verloren sich in dem riesigen Raum. Ich schaute mich um. Das, was ich, geblendet von dem Glanz, der vom Meer hereinströmte, für Galerien gehalten hatte, waren Wandtäfelungen. Sie wurden von ovalen Nischen unterbrochen, in denen die Automaten warteten, die uns bedienen sollten. In der Saalmitte erhob sich eine Fächerpalme. Ihr Stamm war von verholzten Schuppen bedeckt, die wie heraushängende Zungen aussahen. Rings um die Palme Standen niedrige Tische. Über den dunklen Streifen der Täfelung wuchsen die Säulen zur Decke, die sich oberhalb des Eingangs wie ein perlender, in jähem Sturz aufgehaltener Wasserfall senkte. Dort leuchtete eine große Glasplatte. Aus dem flachen Hintergrund traten zwei Gestalten, ein Mann und eine Frau. Beide waren sonnengebräunt, nackt, ihre Füße versanken in dem frischen Grün der Pflanzen. Sie schauten über uns hinweg in die unendlichen Weiten des Ozeans; von dort schien ihnen das ferne Ziel ihres Weges zu winken. An den Wänden des Saales reihte sich eine plastische Szenerie an die andere, durch schmale Alabasterstreifen voneinander getrennt, wie hohe, breite Fenster, die den Blick in eine geheimnisvolle Welt freigaben. In dem einen wimmelte es von gepanzerten, goldenen Käfern, in dem anderen hingen kupferrot und schwarz gestreifte, wie aus dem Glast des Himmels geschliffene Räuber der Luft. Dort wieder zogen lange Reihen von Ameisen über den Boden, und im nächsten Fenster schliefen dickbäuchige, silbrig behaarte Nachtschmetterlinge. Alles schillerte, funkelte, glitzerte; denn alle diese wirklichunwirklichen Tiere waren aus edlen Mineralien geformt. Überall zuckten die Blitze der Zirkone, Smaragde sprühten grüne Flammen, grelle Brillantregenbogen leuchteten auf, durchblutet vom Rot der Rubine und Spinelle. Amphibole, Zyanide, Zitrine, Disthene, Chrysoberylle glühten und phosphoreszierten, so daß die Augen, von dem bunten Strahlenspiel geblendet, erleichtert auf dem stillen, sanften Blau des Meeres ausruhten.
    Unverbesserliche Nonna! Ich hätte wetten mögen, daß dies ihr Werk war. Schon formten sich auf meinen Lippen Worte boshafter Kritik; aber als ich ihren abwartenden, Anerkennung heischenden

Weitere Kostenlose Bücher