Gast im Weltraum
unternehmen, das scheint uns so nichtig, daß es nicht einmal lohnt, die Hand zu heben. Das ist der Grund, weshalb die Konzertsäle‚ der Park, die Decks leer sind… Das, was auf der Erde das Wertvollste für uns war, die Zeit, wird hier unser Feind.“
„Verzeihung! Was ist das eigentlich… das ist doch alles andere als eine Beratung“, warf Trehub plötzlich ein. Er stand auf, trat hinter seinen Sessel und legte die Hand auf die Lehne. „Ihr sucht eine Bezeichnung, einen Namen für das, was auf der Gea vor sich geht? Weshalb? Wir haben doch alle gewußt, daß es kommt, daß es kommen muß – wir wußten nur nicht, wann. Als wir uns dieser Expedition anschlossen, verzichteten wir freiwillig auf alle Bequemlichkeiten, die wir auf der Erde hatten. Unendliche Leere? Ja, gewiß. Wollen wir uns darüber beklagen? Über was? Über die Naturgesetze? Die Aufzählung all unserer jetzigen und künftigen Leiden und Qualen mindert sich nicht im geringsten. Als ich die Einsamkeit erwähnte, hatte ich etwas ganz anderes im Sinn als ihr. Bei der Arbeit und in den wissenschaftlichen Diskussionen ist jeder unserer Gefährten der gleiche, der er war. Er fühlt sich nur anders, wenn er allein ist. Er wünscht also, allein zu sein, um sich zu prüfen, zu ergründen. Was ist natürlicher als das? Es ist die einzige Einsamkeit, die eines Menschen würdig ist. Was kann uns die Leere anhaben?“
„Sie kann uns überwinden“, sagte ich leise, aber Trehub hatte es gehört.
„O nein“, entgegnete er. „Die materiellen Kräfte des Weltalls können uns, zum Beispiel bei einem Zusammenstoß, vernichten. Das ganze Weltall, alle seine Kräfte reichen aber nicht aus, uns zu überwinden. Das kann nur… der Mensch.“ Er machte eine Pause. „Unsere Überlegungen sind nichts als leere Worte. Das wißt ihr ebensogut wie ich. Die Entscheidung ist längst gefallen. Wir selbst haben sie getroffen. Es ist so, wie es sein muß. Was sich auch in uns wandelt – mag es geschehen und zutage treten. Ob wir schwach oder stark, froh, ungeduldig oder leidgeplagt sind – das alles ist unwesentlich gegenüber der einen unerschütterlichen Tatsache, der einen absoluten Gewißheit: Der Flug geht weiter!“
Der Ball
Am Jahrestag unseres Starts in den Weltraum fand an Bord der Gea eine festliche Zusammenkunft statt, die später scherzhaft der „Ball“ genannt wurde.
Der Jahrestag war nur ein Vorwand. Die Astrogatoren ließen sich vor allem von dem Wunsch leiten, die menschlichen Beziehungen zwischen den Mitgliedern der Expedition in unserem engen Kreis aufzufrischen und zu vertiefen. An der Veranstaltung sollten alle, auch die bedeutendsten, am meisten mit Arbeit überhäuften Wissenschaftler teilnehmen, die man sonst nur selten zu Gesicht bekam. Diesmal sollten sie der Allgemeinheit nicht ihre Arbeit, sondern ihre Person widmen. Die Veranstaltung hatte den Zweck, das stagnierende Gewässer unseres gesellschaftlichen Lebens, das sich mehr und mehr in den einzelnen Laboratorien und Arbeitszimmern abgekapselt hatte, wieder in Fluß zu bringen. Alle Vorbereitungen waren getroffen worden, um die Gesellschaftsräume der Gea, die Säle, die uns in allen Einzelheiten vertraut waren, von Grund auf zu verändern. Die Videoplastiker hatten sich bereits eine Woche vor der Feier im Barocksaal, den in diesen Tagen kein anderer betreten durfte, eingeschlossen. Wenn wir sie bei den gemeinsamen Mahlzeiten auszuhorchen versuchten, dann deuteten sie nur mit halben Worten die Wunder an, die sie für uns vorbereiteten.
Am Morgen des Jahrestages erhielt ich eine in altertümlicher Schrift auf einer dünnen, feingeäderten Karte aus Papiermasse gedruckte Einladung. Unter meinem Namen standen die Worte: „Bitte, im Tropenanzug.“ Ich war ebenso aufgeregt wie in meiner Jugend, wenn ich mich auf irgendein Frühlingsfest vorbereitete.
Pünktlich um achtzehn Uhr begab ich mich in einem blendendweißen Anzug auf das dritte Verdeck. Vor dem Eingang zum Barocksaal waren die Videoplastiker mit dem Dritten Astrogator Songgram an der Spitze versammelt.
Wir begrüßten einander feierlich. Die gehobene Stimmung, die zeremoniel len Gesten, unsere festliche Kleidung, das alles wirkte ein wenig komisch. Über die ernsten Mienen der Videoplastiker huschte immer wieder ein verstohlenes Lächeln. Die jüngste aus ihrem Kreis, Maja Moleticz, die Schwester des Historikers, faßte mich unter, befahl mir, die Augen zu schließen, und führte mich in den Saal. Eine warme Brise wehte mir
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