Gast im Weltraum
das nicht wunderbar?“
Die anderen lachten, und ihr Lachen verklang mit den Schritten, die sich entfernten. Wieder war es still um mich. Die künstliche Sonne ging unter. Der Himmel erglühte in den Flammen des Abendrotes – es war ein Teil der ewigen irdischen Schönheit, die wir leichten Herzens aufgegeben hatten, als wären wir uns ihres unermeßlichen Wertes niemals ganz bewußt gewesen. Gedankenverloren stützte ich mich mit der Hand auf die rauhen Steine der Brüstung. Träumerisch rauschten die Wellen, das leise, zarte Wehen des Abendwindes wiegte sie ein und trug meine Gedanken mit sich fort. Aus dem Saal hinter mir drang Stimmengewirr, von hellem Frauenlachen unterbrochen. Ich hörte Gläserklingen, Trinksprüche, laute Zurufe, Beifall. Der Lärm schwoll an und verebbte, wie das Wasser unten am Strand.
Ich schaute noch immer auf das Meer hinaus. Die Venus, der nahe, liebe und vertraute Abendstern, hing wie ein überreifer Lichttropfen über dem Horizont. Die Dämmerung nahm zu, das Blau des Himmels wurde tiefer. Die Umrisse des fernen Vulkans schienen wie mit einem Rubin nachgezogen. Die Sterne leuchteten auf – ich hatte wohl eine Stunde lang, in das Bild und in mich selbst versunken, auf der Terrasse gestanden; denn der Abend reichte nun der Nacht die Hand.
Plötzlich, als käme ich wieder zu mir, begriff ich, daß ich allein war. Ich blickte mich um und zuckte unwillkürlich zusammen. Dicht neben mir stand jemand. Auf die Brüstung gestützt, starrte auch er in die nächtliche Weite. Je dunkler es wurde, desto deutlicher hob sich der Vulkan ab. Sein rötlicher Feuerschein fiel als zartes Licht auf die Umgebung. Der Mann neben mir war so nahe, daß ich ihn nicht anschauen konnte, ohne seine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Ich tat es trotzdem. Sein Gesicht war in dem Dämmerlicht, das uns umgab, grau wie die Steine der Brüstung. Auch er sah mich an – und doch hatte ich den Eindruck, daß er mich nicht wahrnahm. Ich erkannte ihn, wollte ihn ansprechen, wagte es aber nicht. Er schien meine Verlegenheit und Unentschlossenheit zu spüren, neigte leicht den Kopf und sagte: „Ich heiße Goobar.“
Wir kannten uns vom Sehen – nein, ich kannte ihn. Ich nannte meinen Namen und meinen Beruf. Wir schwiegen geraume Zeit, aber anders als vordem – gemeinsam. Plötzlich – ich weiß nicht, wie ich darauf kam – fragte ich ihn: „Professor, kennst du Ameta?“
Er wurde lebhaft. „Natürlich! Er hat einmal mit mir zusammen gearbeitet.“
„Als Pilot?“ erkundigte ich mich und merkte gleichzeitig, wie sinnlos diese Frage war.
„Nein.“ Goobar schien zu überlegen. „Wir brauchten damals einen außergewöhnlichen Mathematiker, und Ameta… Ja, wie soll ich dir das erklären, Doktor? Es gibt hier und da Aussprüche von Kindern, auf die der genialste Schriftsteller nicht kommen würde. Sie sind von einer unbewußten Ursprünglichkeit, und das Kind selbst vermag sie nicht zu werten, zu beurteilen. Es kann an ihnen hängen, aber zugleich hängt es ebenso an Nichtigkeiten… Ameta hat von Zeit zu Zeit ausgezeichnete Ideen, nur kann er sie weder von den unwesentlichen unterscheiden noch verwerten. Einigemal hatte er Gedankenblitze, die in unerforschte Weiten zu weisen schienen. Das war alles.“
„Im Kollektiv kann es wertvoll sein“, wandte ich ein. Dieser neue Ameta, der aus Goobars Worten vor meinen Augen erstand, setzte mich in Erstaunen. Goobar beugte sich wieder in das Dunkel vor. Sein Profil, von der Glut des Vulkans umrissen, hob sich noch schärfer ab.
„Nein“, antwortete er nach einer Pause. „Aus diesen Andeutungen konnte niemand Nutzen ziehen; ein durchschnittlicher Mathematiker einfach deshalb nicht, weil dies alles außerhalb der Grenzen seines Ideenbereichs liegt, und ein überdurchschnittlicher ist stets zu sehr er selbst. Er besitzt eine zu ausgeprägte, eigene Blickrichtung bei seinen Forschungen, ist von ihnen so fasziniert, daß er sie nicht wegen einer fremden Vision, und wäre sie noch so schön und verlockend, aufgibt. Ebenso läßt ja auch keiner seine Frau wegen einer anderen sitzen, die ihn angeblich irgendwo auf einem künstlichen Satelliten erwartet.“
„Ist Ameta denn nicht selbst weitergekommen?“ fragte ich.
„Nein. Manchmal war er wie ein Mensch, dem ein neues, ungewöhnliches sinfonisches Motiv einfällt, der es nicht niederschreiben kann, da er die Noten nicht kennt. Und so ist die Kostbarkeit für alle Zeit verloren. Ebenso verhält es sich mit Ametas
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