Gast im Weltraum
gelangte, trug sie bereits eine ganze Reihe Unterschriften. Die nächste Beratung galt daher der Frage der Beschleunigung. Auch Goobar erschien. Die Meinungen waren geteilt, vor allem deshalb, weil noch zuwenig bekannt war, welchen Einfluß eine solche Geschwindigkeit, die nahe der kritischen Grenze lag, auf den menschlichen Organismus haben würde. Ameta, Zorin und Ul Wef erklärten übereinstimmend, daß eine Geschwindigkeit von 185000 Kilometern, mit der sie bereits Raketen geflogen hatten, ihnen nicht geschadet habe. Allerdings hatten diese Flüge niemals länger als einige Stunden gedauert. Es tauchte die Frage auf, ob eine zusätzliche Beschleunigung vielleicht kulminierende Einflüsse ausüben würde, die sich erst nach Ablauf einer längeren Zeit bemerkbar machten.
Schließlich ergriff Goobar das Wort: „Unsere gegenwärtige Situation wird dadurch gekennzeichnet, daß wir wohl das Problem einer weiteren Beschleunigung gründlich erörtern, uns aber nicht mit den Motiven befassen, die einen Teil der Expeditionsteilnehmer bewogen haben, dieses Projekt den Spezialisten zu unterbreiten, die – so meine ich – allein berechtigt sind, Entscheidungen über die Fluggeschwindigkeit zu treffen. Aus meinen derzeitigen Untersuchungen geht einwandfrei hervor, daß die gefühlsmäßige Sphäre der Psyche von der kritischen Geschwindigkeit früher in Mitleidenschaft gezogen wird als die intellektuelle. Trotzdem bin ich der Ansicht, daß man die Geschwindigkeit erhöhen kann, und zwar vor allem deshalb, weil die Besatzung unseres Schiffes von uns konkretes Handeln erwartet. Es läßt sich nicht feststellen, ob die Vorteile eines solchen Schrittes die möglicherweise daraus entstehenden Schäden überwiegen werden oder nicht. Es ist ein etwas gewagtes Experiment. Wir verfügen indessen über Mittel, die selbst im Falle einer Erschütterung des psychischen Gleichgewichts der ganzen Besatzung diesen Prozeß rückgängig machen. Notfalls verringern wir die Geschwindigkeit wieder.“
Der Rat beschloß mit einer Mehrheit von zwei Stimmen, dem Antrag stattzugeben. Mit Rücksicht auf das große Risiko wurde die Beschleunigung so vorgenommen, daß erst nach fünfzig Tagen ihre Höchstgrenze erreicht wurde. Bereits in der nächsten Nacht erklang das Warnsignal, das nun wieder allnächtlich ertönte.
Ich weiß nicht, wie es geschah – jedenfalls geriet ich eines Abends auf das unterste Deck der Gea. Der Gang endet in einem bogenförmigen Gewölbe und stößt auf einen zweiten Korridor. An dieser Stelle befindet sich in der Seitenwand ein großer Trichter, der durch eine Panzerplatte geschlossen ist, eine * Luke, die bei außergewöhnlichen Ereignissen, Unglücksfällen und dergleichen als Ausgang dient. Durch diese Luke wurde seinerzeit die Rakete des verunglückten Piloten vom Ganymed in das Innere der Gea gesaugt. Die runde, gewölbte Ausstiegsklappe wird durch schräg aufliegende Stahlhebel vor die Öffnung gepreßt. Vier Automaten, die auf beiden Seiten diesen Notausgang bewachen, können sie in Betrieb setzen. Jeder von ihnen bedient zwei Verschlußhebel.
Als ich an jenem Abend dort hinkam, blieb ich unwillkürlich vor dem Trichter stehen. In diesem entlegenen Teil des Schiffes herrschte tiefste Stille. Kein Geräusch drang hierher. Der Gang war durch sechs Stockwerke vom Lärm der Maschinen in den Laboratorien getrennt. Plötzlich durchzuckte mich ein toller Gedanke: Dort, hinter dieser Stahlklappe, ist die Freiheit. Von einem unwiderstehlichen Zwang getrieben, trat ich in die kühle Tiefe des Trichters, der nur spärlich durch einige Leuchtröhren erhellt wurde. Lange stand ich reglos vor der Klappe. Schließlich legte ich die Hand auf das kalte Metall. Das brachte mich zur Besinnung. Ich sah mich um, ob jemand mein unvernünftiges Gebaren beobachtet hatte, ging leise, wie schuldbewußt, den Gang hinunter und kehrte rasch in die oberen Stockwerke zurück.
Einige Tage später schlenderte ich, wie es mitunter vorkam, in Gedanken versunken durch das Schiff, ohne auf meine Umgebung zu achten. Auf einmal stellte ich überrascht fest, daß ich mich wieder am Ende jenes Ganges befand. In dem Trichter standen zwei Techniker. Als sie mich erblickten, verließen sie ihn, gingen an mir vorüber und verschwanden wortlos in einem der beiden Korridore. Ich überlegte. Waren sie beauftragt, hier eine Arbeit auszuführen, oder hatte die gleiche unbegreifliche Kraft sie getrieben wie mich? Eigentlich wollte ich mit Yrjöla darüber
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