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Gast im Weltraum

Gast im Weltraum

Titel: Gast im Weltraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Posaune. „Was wollt ihr tun? Besinnt euch! Kommt zu euch!“ Keuchendes Atmen war die Antwort. Yrjöla breitete die Arme aus und versuchte vergeblich, sie zurückzuhalten. Die Leute schoben sich unaufhaltsam vorwärts. Der Ingenieur berührte bereits mit den Schultern die Panzerscheibe der Klappe. „Bleibt stehen!“ schrie er.
    Einige Hände streckten sich nach der Nische aus, in der sich der Verschlußmechanismus befindet. Yrjöla stieß mit aller Kraft die nächsten zurück, beugte sich vor, riß einen kleinen schwarzen Apparat aus dem Gürtel seiner Kombination und rief durchdringend: „Ich blockiere die Automaten!“
Kommunisten
    Wer von uns sieht noch die Automaten? Wer bemerkt noch ihr allgegenwärtiges Dasein, das für uns unentbehrlich ist wie die Luft zum Atmen und der Halt unter den Füßen? Früher, im Altertum, beunruhigte die Menschen der Gedanke, daß die Automaten sich gegen sie auflehnen könnten. Wer von uns hält diese Ansicht für etwas anderes als ein Hirngespinst? Wären wir denn in der Lage, Automaten herzustellen, die uns vernichten? Gewiß–aber ebenso hätten wir unsere Städte zerstören, Erdbeben hervorrufen oder todbringende Krankheiten auf uns übertragen können. Jedes Menschenwerk kann dazu verwendet werden, seine Schöpfer zu töten. Der beste Beweis hierfür sind die Massenvernichtungsmittel, die von barbarischen Zivilisationen geschaffen wurden. Wir leben aber nicht, um zu vernichten, sondern um das Leben in seiner Weiterentwicklung zu fördern, zu unterstützen. Diesem Ziel, nur diesem, dienen unsere Automaten.
    Als die Wissenschaftler die erste Expedition in den Weltraum vorbereiteten, da standen sie einem außerordentlich schwierigen Problem gegenüber. Es war durchaus möglich, daß die ungeheure Geschwindigkeit unseres Raumschiffes die normale Sinnestätigkeit störte, daß schwächere Menschen, die nicht imstande waren, sich diesem schädlichen Einfluß zu widersetzen, einer Bewußtseinstrübung verfielen und den Automaten unrichtige, ja sogar verderbenbringende Befehle erteilten. Deshalb wurde ein besonderes Funksystem eingerichtet, durch das alle Automaten an Bord der Gea blockiert werden konnten. Dieses System stand unter der Kontrolle der Expeditionsleiter, die sich der ungeheuren Verantwortung, die auf ihnen ruhte, bewußt waren; denn zu diesem Mittel durften sie nur im äußersten Notfall greifen, wenn es anders nicht möglich war, Herr der Lage zu werden.
    Die Blockierung der Automaten hätte einen gefährlichen Präzedenzfall geschaffen, da die Automaten in der tausendjährigen Geschichte unserer Zivilisation den Menschen niemals den Gehorsam verweigert hatten. Die Leute vor dem Trichter erstarrten, als sie die furchtbaren Worte aus dem Munde Yrjölas vernahmen. Einige Sekunden lang standen sie wie versteinert in dem gelblichen Licht. Plötzlich wurde die Totenstille von dem leisen Zischen eines haltenden Fahrstuhls unterbrochen. Die Leute hoben den Blick – in der offenen Tür des Aufzuges erschien Ter Haar.
    Er kam geradewegs auf die bewegungslose Menge zu, als träte er in einen leeren Raum. Wen sein Blick traf, der wich zur Seite. Hinter seinem Rücken schloß sich die enge Gasse wieder. So schritt er durch sie hindurch in den Trichter und stieg auf die Stufe vor der Verschlußklappe. Seine massige Gestalt überragte alle. Dann begann er, anfangs beinahe flüsternd, zu sprechen. Es wurde so still‚ als hätten diese Menschen zu atmen aufgehört. Aller Augen wandten sich ihm zu. Seine Stimme wurde allmählich lauter und dröhnte schließlich über die Köpfe der anderen hinweg. „Opfert mir zehn Minuten eures Lebens, bevor ihr es wegwerft. Dann gehen wir – Yrjöla und ich und ihr mögt tun, was ihr wollt. Niemand wird euch zurückhalten. Darauf gebe ich euch mein Wort.“
    Er schwieg einige Herzschläge lang, bevor er weitersprach: „Vor tausendzweihundert Jahren lebte in Berlin ein Mann namens Martin. Der Staat, dem er angehörte, wollte andere Völker ausrotten oder versklaven. Den eigenen Untertanen befahl er, nicht mit dem Hirn, sondern nur mit dem Blut zu denken. Martin war Arbeiter in einer Glashütte. Als einer von vielen tat er das, was heute Maschinen für uns leisten. Aus seinen Lungen preßte er Luft in die flüssige Glasmasse. Er war aber ein Mensch und keine Maschine, er hatte Eltern, einen Bruder, ein Mädel, das er liebte, und er begriff, daß er mitverantwortlich war für alle Menschen auf der Erde. Jene, die dieses

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