Gast im Weltraum
Apparaturen wieder in Betrieb zu setzen. Dann kam das Schlimmste. In der Dunkelheit rief jemand ganz laut: „Fort mit diesem Betrug!
Es soll so bleiben! Es ist besser, wenn wir die stählernen Wände sehen. Schluß mit der ewigen Selbsttäuschung!“
Minutenlang herrschte dumpfes Schweigen. Endlich flammte die Sonne auf, über uns leuchtete der blaue Himmel, weiße Wolken zogen an ihm dahin, ein leichter, kühler, duftgesättigter Lufthauch strich über unsere Gesichter, und das Fleckchen wirklicher Erde, auf dem wir standen, weitete sich nach allen Seiten und erglänzte bis an den fernen Horizont in frischem Grün. Einer sah den änderen prüfend an, als suchte ein jeder den, der in der Finsternis gerufen hatte. Niemand wagte zu sprechen. Obwohl der Garten und die weite sonnenbeschienene Landschaft wiedererstanden war, gingen wir schweigend weg.
Uns allen war klar, daß nun etwas geschehen mußte. Es gab allerdings keinen Anhaltspunkt, die Gefahr, die uns umlauerte, hatte noch keine greifbare Form angenommen. Sie lag in der Luft, aber wir wußten nicht, vor was wir uns zu schützen hatten. Einige schlugen vor, die Triebwerke wieder abzuschalten, doch die Astrogatoren waren der Meinung, daß es, wollte man dem Antrag stattgeben, ein Zurückweichen vor dem Unbekannten gewesen wäre.
„Mag das Schlimmste geschehen“, sagte Ter Akonian, als wollte er an die denkwürdigen Worte Trehubs anknüpfen, die dieser zwei Jahre zuvor gesprochen hatte, „wir werden dagegen kämpfen. Wir wollen nicht in steter Unsicherheit leben. Die Gewißheit einer Gefahr ist besser als Ungewißheit.“ Fünf Tage gespannten, stillen Abwartens vergingen, nichts ereignete sich. Die Triebwerke beschleunigten weiterhin zur festgesetzten Stunde unseren Flug, die Zahl der Gefährten, die untätig waren, verringerte sich um zwei. Alle Kollektive arbeiteten normal, ein philharmonisches Konzert fand statt, und ich redete mir ein, daß wir Ärzte ebenso wie die Astrogatoren und alle anderen den schädlichen Einflüssen des Weltraumfluges unterlagen, daß wir aus einer Mücke einen Elefanten gemacht hatten und uns von einer eingebildeten Gefahr hatten beeinflussen lassen.
Am sechsten Tage nach dem Zwischenfall im Garten hatten wir in der Krankenstation eine schwere Geburt. Das Kind kam scheintot zur Welt, sein Leben hing an einem Faden. Zwei Stunden lang wich ich nicht von seinem Bettchen. Das Sauerstoffgerät war ununterbrochen in Tätigkeit. Ich war so sehr bei der Sache, daß ich die letzten Ereignisse vergaß. Als ich mir in der Ecke hinter Porzellantafeln und Glasplatten die Hände wusch, erblickte ich im Spiegel mein Gesicht, aus dem mir fiebrige Augen entgegenstarrten. Zugleich fühlte ich eine unbegreifliche Angst in mir auf steigen. Ich bat Anna, bei der jungen Mutter zu bleiben, warf den blutbefleckten Arztkittel ab und lief hinaus. Der Aufzug brachte mich in einigen Sekunden auf das unterste Deck. Als ich den leeren, von Lampen erhellten Korridor vor mir sah, atmete ich erleichtert auf. Du Dummkopf, schalt ich mich selbst, du Dummkopf, von welchen Wahnideen läßt du dich beeinflussen! – Trotzdem ging ich weiter. Hinter der Biegung vernahm ich Stimmen. Als hätte ich einen Peitschenhieb erhalten, war ich in vier Sätzen in dem halbrunden Raum.
Vor der Mündung des Trichters stand zusammengeballt eine Gruppe Menschen. Sie wandten mir den Rücken zu und drangen auf jemanden ein, der ihnen den. Weg versperrte. All das spielte sich in tiefstem Schweigen ab. Ich hörte nur das keuchende, stoßweise Atmen. In der Menge entdeckte ich Diokles. „Was ist denn hier los?“ fragte ich. Es machte mir Mühe, die Worte hervorzubringen.
Niemand antwortete. Ich fing einen Blick aus der Menge auf. In diesen Augen flackerte der Wahnsinn. Plötzlich erklang eine gedämpfte, vor innerer Erregung bebende Stimme: „Wir wollen hinaus!“
„Dort ist der Weltraum, die Leere!“ rief der Mann, der den Zugang zum Trichter versperrte. Nun sah ich ihn: Yrjöla.
„Laß uns hinaus!“
„Wahnwitzige!“ schrie Yrjöla. „Dort ist der Tod! Hört ihr? Der Tod!“
„Dort ist die Freiheit!“ antwortete einer aus dem Haufen, und Diokles – zweifellos er – rief: „Du hast kein Recht, uns zurückzuhalten!“
Yrjöla wurde von der Menge gestoßen und gedrängt. Schritt für Schritt zog er sich tiefer in den Trichter zurück. Seine Gestalt hob sich dunkel von dem glänzenden Hintergrund ab. Seine Stimme, von dem Stahltrichter verstärkt, dröhnte wie eine
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