Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gast im Weltraum

Gast im Weltraum

Titel: Gast im Weltraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
Vom Netzwerk:
umgeworfenen dreibeinigen, mit rotem Leder bezogenen Stühlen schliefen auf vereisten Lachen farbiger Getränke und auf Flaschenscherben mumifizierte Menschen den ewigen Schlaf. Einer lehnte mit dem Kopf an einem Fäßchen, aus dessen Hahn die zu grünlichem Eis erstarrte Flüssigkeit zu laufen schien. Mit einer Hand verhüllte er wie in jähem Erschrecken das Gesicht, die andere umkrampfte das kurze, blau oxydierte Metallrohr. Der Spiegel wies zahlreiche kleine, kreisrunde Löcher auf, die von strahlenförmig auseinanderlaufenden Rissen und Sprüngen umgeben waren. In der Decke war eine offene Luke, zu der eine eiserne Leiter emporführte. Auf der untersten Sprosse hingen zwei in sich zusammengesunkene Tote. Ich sah mich in dem Raum etwas genauer um. Ein großes Bild bedeckte eine Wand – blauer Himmel, bauschige, weiße Wölkchen, zwischen denen rosige Frauenkörper schwebten.
    „Was bedeutet das alles, was sind das für Menschen gewesen?“ fragte ich Ter Haar und erkannte meine eigene Stimme nicht.
    „Atlantiden“, antwortete er, als erklärte dieses eine Wort alles. Er ging auf die Leiter zu und schob die beiden Mumien beiseite, deren Köpfe mit den Fetzen einer Decke umwickelt waren. Sie fielen wie vertrocknete Riesenlarven zu Boden, und eine mitleidige Hand bedeckte sie mit einer herumliegenden Plane aus steifem Stoff.
    Wir folgten Ter Haar, der inzwischen die Leiter hinaufgestiegen war, und gelangten in einen engen Schacht, der zu den Räumen im Mittelpunkt des künstlichen Satelliten führte. Die durch die Zentrifugalkraft im äußeren Ring geschaffene künstliche Gravitation wurde immer schwächer. Wir mußten uns hier mit Hilfe eines dünnen Metallseiles, das an der Wand befestigt war, weiterbewegen. Der Gang oder Schacht endete vor einer massiven Panzertür. Wir wischten die Reifschicht ab und lasen:
ATOMIC POWER SECTION.    RADIATION DANGER!
    Mit gewöhnlichen Schneidbrennern hätten wir zuviel Zeit gebraucht, um die Tür zu öffnen; deshalb rief Grotrian einen Automaten herbei, der mit einem Strahlungsbrenner ausgerüstet war. Die blaue Spitze des Strahlenbündels fraß sich in die Stahlplatte, die uns den Zutritt verwehrte. Sie wurde an den Schnittstellen rot-, dann weißglühend. Im luftleeren Raum schwebten Blättchen verkohlten Lacks, die feine Schnittlinie krümmte sich leicht. Zwei Automaten stemmten sich gegen die Tür und zogen sie mit Hilfe ihrer starken Magneten an sich. Der herausgeschnittene Stahlblock neigte sich langsam und gab den Weg frei.
    Grotrian betrat als erster den stockfinsteren Raum. Die Lichtkegel der Scheinwerfer huschten über Winkel und Nischen. Das Fehlen der Gravitation erschwerte die Orientierung. Die Magnete an unseren Sohlen ermöglichten uns zwar zu gehen, konnten aber die Schwerkraft nicht ganz ersetzen. Zwischen uns schwebten große Behälter im Raum, die dickbäuchigen Fischen ähnelten. Immer wieder reflektierte ihre polierte Oberfläche das darauffallende Licht. Erst als die Mechanoautomaten diese herumgeisternden Metallkörper heruntergezogen und provisorisch befestigt und eine Jupiterlampe eingeschaltet hatten, sah ich, daß wir uns in einem großen, kuppelförmig gewölbten Raum befanden. Von der Decke hing der Greifer eines Kranes herab, der eine vielleicht vier Meter lange Rakete mit plumpen Stabilisatoren in seinen Klauen hielt. Als der Reflektor am Kopf des Automaten einen Kreis beschrieb, bemerkte ich, daß in den dunklen Nischen etwa dreißig birnenförmige Behälter standen. Von jeder Nische führte ein schmales Gleis auf eine Drehscheibe unter dem Kran. Grotrian fragte Ter Haar: „Bomben, nicht wahr?“
    „Ja, Uranbomben“, antwortete der Historiker.
    Grotrian rief einen Mechanoautomaten und befahl ihm, eines dieser birnenförmigen Gebilde mit Röntgenstrahlen zu durchleuchten. Wir gingen auf die andere Seite hinüber, um das Resultat auf einem Bildschirm sehen zu können.
    Ich entdeckte, daß der Boden unter dem Kran zur Mitte des Raumes hin geneigt war. Es war ein flacher Trichter mit einer unverschlossenen Luke. Ich klappte sie hoch, beugte mich über die Öffnung und – blickte in den gähnenden Abgrund des Weltraumes, in dessen Dunkel die Gestirne glommen.
    Der Mechanoautomat schaltete den Strom ein. Auf dem grünlich schimmernden Bildschirm erschienen die Schatten der inneren Konstruktion der Bombe. Ohne ihren Zweck zu erraten, erkannte ich vierzehn oder sechzehn Rohre, die konzentrisch zusammenliefen. Die Oberteile der Rohre waren mit

Weitere Kostenlose Bücher