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Gast im Weltraum

Gast im Weltraum

Titel: Gast im Weltraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Anziehungskraft der Proxima und vermehrte die Anzahl der Himmelskörper, die sie umkreisen. So können wir uns den Ablauf der Ereignisse erklären.“
    Während Grotrian sprach, stellte ich mir unwillkürlich vor, wie diese in dem metallenen Ring eingeschlossenen Menschen in der eisigen Tiefe des Alls versanken, wie sie, deren Blut allmählich erstarrte, um belebende Wärme kämpften, bis die Katastrophe ihrem Ringen um das Leben ein jähes Ende bereitete. Hunderte Jahre waren seit ihrem Tod vergangen, und das stählerne Rad kreiste unentwegt mit seiner erstarrten, zu Stein gewordenen Besatzung um eine erkaltende Sonne.
    „Ihnen wurde ein Los zuteil“, fuhr der Astrogator fort, „ähnlich dem Schicksal, das sie anderen Menschen bereiten wollten. Obgleich die Qualen, die sie vor ihrem Tod leiden mußten, sie nicht von ihrer Schuld, die Vernichtung der Menschheit geplant zu haben, befreien können, bin ich doch der Ansicht, daß wir weder die Einzelheiten dieser Tragödie untersuchen noch die Toten verunehren sollten, die nur traurige Überreste, menschliche Überreste sind. Ich glaube, wir sind verpflichtet, dieses Schiff zu zerstören. Es ist nicht notwendig, daß ein anderer das zu sehen bekommt, was wir gesehen haben. Deshalb muß sofort ein entsprechender Beschluß gefaßt werden. Ter Haar?“ „Ich bin deiner Ansicht.“
    „Uteneut?“
    „Ich bin einverstanden.“
    „Treloar?“
    „Ich bin einverstanden.“
    „Ameta?“
    „Ich weiß nicht, ob du recht hast“, antwortete der Pilot. „Ich will mich aber dem Beschluß der Mehrheit nicht widersetzen. Ich weiß nicht, ob wir ein Recht haben, das alles zu vergessen.“
    „Wir werden und wollen es nicht vergessen“, entgegnete Ter Haar. „Ich halte die für die Geschichtsforschung wichtigen Tatsachen fest und nehme alle Dokumente mit.“
    Ameta schien noch etwas erwidern zu wollen. Grotrian sah ihn abwartend an. Aber der Pilot trat einen Schritt zurück und wandte sich um. Der Astrogator blickte mich als letzten fragend an. Ich nickte schweigend. Ter Haar begab sich in die Kajüte des Kommandanten und nahm zu seiner Unterstützung die Ingenieure mit. Grotrian ging zur Rakete, um sich mit der Gea in Verbindung zu setzen. Ich stapfte ohne Ziel den Korridor entlang, den wir durchquert hatten. Auf einmal hatte ich wieder den Eindruck, einen bedrückenden Traum zu haben. Dieser Eindruck rührte von der bisher nicht geklärten, mir nicht bewußten Überzeugung her, daß die Wirklichkeit so furchtbar, so ungeheuerlich sein kann. In Gedanken versunken, ging ich weiter. Plötzlich preßte mir die Angst das Herz zusammen. Ich blieb stehen und lauschte. Ich glaubte, nicht allein zu sein. Ich fürchtete mich nicht vor den Toten. Schlimmer, viel schlimmer war die Nachbarschaft jener grellbunten Bilder, von denen über reifbedeckte Mumien hinweg nackte Frauen in die Leere lächelten.
    Ich beschleunigte den Schritt. Da sah ich einen Lichtstreif, der durch den Spalt einer angelehnten Tür fiel. Ich blieb auf der Schwelle stehen.
    Vor mir lag ein großer, leerer Raum. Gegenüber der Tür befand sich eine hohe Nische, deren gewölbte Decke von Spitzbogen getragen wurde. In ihr hing ein hölzernes Kreuz, das sich schwarz von dem weißen Hintergrund abhob. Nun sah ich vor dieser Nische einen vornübergebeugten Toten knien. Scharf zeichnete sich sein Rückgrat unter dem schwarzen Stoff ab, der die ganze Gestalt einhüllte. Diese Mumie, die einem Klumpen Erde ähnlicher war als einem Menschen, warf einen formlosen Schatten an die weiße Wand. Ich wandte meinen Blick nach der anderen Seite und suchte die Lichtquellen. Hinten in dem Raum stand Pjotr vom Ganymed, dessen Abwesenheit wir vorhin nicht bemerkt hatten. Sein Scheinwerfer beleuchtete das Kreuz. Er stand dort, schlank, hochaufgerichtet wie einer der sagenhaften Riesen, in einem silbrigglänzenden Skaphander, mit vor der Brust gekreuzten Armen, und starrte das Symbol eines nutzlosen, vergeblichen Glaubens an.
Der rote Zwerg
    Grotrian ließ die Mechanoautomaten in der Atombombenkammer zurück.
    Die beiden Raketen erhoben sich in den Raum und zogen einen Kreis um den künstlichen Satelliten. Noch einmal glitten die schwarzen Buchstaben UNITED STATES INTERSTELLAR FORCE vor unseren Augen vorüber. Unsere Raketen steuerten die Gea an und erhöhten die Geschwindigkeit. Bald darauf waren wir wieder an Bord unseres Raumschiffes.
    Die zahlreichen Zuschauer strömten vom Flugplatz in die Sterngalerie, um von dort aus die

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