Gast im Weltraum
Schrey.
Wir hielten den Atem an und beugten uns über den Schwerverletzten. Die reglose Maske seines Gesichts begann wie in ohnmächtigem Zorn zu zucken, die Lippen öffneten sich, entblößten die zusammengebissenen, blutigen Zähne. Ameta war bei Bewußtsein. Aber ein schrecklicher Schmerz, der von den zerfetzten Nerven in den Kopf drang, peinigte sein Hirn, so daß er seine ganze Kraft aufwenden mußte, um einen Schrei zu unterdrücken. Sprechen konnte er nicht.
Wir gaben ihm eine letzte Injektion. Das Glas der Ampulle zersplitterte auf dem Fußboden. Den Schmerz konnten wir nicht beseitigen, eine Anästhesie hätte von neuem Bewußtlosigkeit hervorgerufen. Ohne Ameta aus den Augen zu lassen, trat Schrey vom Operationstisch zurück. Anna und ich folgten ihm. Mit blutigen, schlaff herunterhängenden Händen standen wir da und brachten allein durch unser Verhalten zum Ausdruck, daß wir alles getan hatten, was menschenmöglich war.
Hinter der Glaswand drängten sich unsere Gefährten. Von ihren dunklen Gestalten hoben sich die hellen Skaphander der Piloten ab, die geradenwegs vom Flugplatz hergekommen waren. Einer von ihnen, Zorin, hatte nicht einmal den Helm abgesetzt, sondern wie einen eigenartigen Flügel nach hinten gestülpt. Er wandte sich plötzlich ab und verschwand. Reglos und stumm warteten wir ungefähr zwei Minuten lang. Nur das stöhnende Atmen Ametas und das leise Pochen des künstlichen Herzens unterbrachen die Stille. Plötzlich wurde die Tür zum Operationssaal aufgestoßen. Zorin, noch immer im Skaphander, stürzte herein. In der Hand hielt er das gebogene Steuerrad aus der Rakete Ametas. Zorin trat an den Operationstisch, hob zunächst die eine, dann die andere kraftlos herabhängende Hand Ametas hoch, legte die Finger um das Steuer, richtete den Oberkörper behutsam auf und schob das Kinn in den Halter, der in der Mitte aus dem Steuerrad ragt und den Kopf des Piloten so hebt oder senkt, daß sich der Scheitel in der Richtung bewegt, die der Drehung des Steuers entgegengesetzt ist. Als Ametas Kopf auf dem Halter ruhte, ergriff Zorin das Steuer und bewegte es. Der Kopf des Sterbenden hob sich, und die Hände folgten der Drehung des Rades. Zorin führte das Steuer dreimal hin und zurück, als beschriebe er Kreise mit einer imaginären Rakete, und beim drittenmal öffnete Ameta die Augen. Roter Schaum trat aus dem Mund, dann hörten wir ihn pfeifend, glucksend flüstern: „Große Raketen… gelangen hin… Städte… habe sie gesehen… Ihr müßt weiter… mit großen Raketen… Fernsehgeräte… auf großem…“
Mit einem krampfhaften Ruck zog er das Steuerrad an seine Brust, seine Hände zitterten, als wollten sie das Steuer herumreißen, um die Rakete jäh auf steigen zu lassen… Mitten in dieser Bewegung erstarrten sie für immer.
Vor meinen Augen schien alles zu schwanken und gleich darauf in lauter einzelne Stücke zu zerfallen. Ich sah alles unwahrscheinlich deutlich: die Porzellanecke des Operationstisches mit einem geronnenen Blutspritzer, den leeren, aufgeschlitzten Skaphander, der auf dem Fußboden vor den Füßen Schreys lag, das verkrampfte Gesicht des Professors, und Anna, vom Licht des seitlichen Scheinwerfers umflossen, ihre starren, weit geöffneten Augen, die noch immer auf etwas – auf ein Wunder – zu warten schienen.
Der Pulsomotor arbeitete immer weiter, pumpte Blut in den toten Körper. Ich wollte ihn ausschalten, trat einen Schritt vor. Etwas versperrte mir den Weg. Die Hand, die ich ausgestreckt hatte, um das Hindernis zu beseitigen, sank herab. Es war kein toter Gegenstand, der mich auf hielt, sondern der Blick Zorins. Er war wie der eines Blinden – unbeschreiblich traurig.
Blüten der Erde
Die Gea entfernte sich in der Nacht von dem Planeten. Um acht Uhr meldeten die Lautsprecher, daß der Rat der Astrogatoren die gesamte Besatzung zu einer Versammlung einlade.
In einer Viertelstunde waren die amphitheatralisch ansteigenden Sitzreihen des Saales voll besetzt. Ein dumpfes Brausen füllte den großen Raum. Das Podium und der Platz am Rednerpult waren noch leer. Endlich betrat Ter Akonian das Podium und eröffnete die Versammlung mit dem kurzen Hinweis: „Das Wort hat Professor Goobar.“
Nun erst sahen wir, daß Goobar seit einiger Zeit, von uns unbemerkt, an der Seitenwand gestanden hatte. Er nahm den Platz am Rednerpult ein, warf einen Blick in den Saal, in dem nun tiefste Stille herrschte, und dann erklang seine leicht belegte Stimme:
„Ich möchte der
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