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Gast im Weltraum

Gast im Weltraum

Titel: Gast im Weltraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Menschen nennen – beschließen abzuwarten. Endlich trifft das Schiff in der Nähe des Planeten ein und schleudert dreißig Raketen – kleine Raketen – in den Raum, die sich der Atmosphäre rasch nähern. Die Menschen auf dem Planeten haben solche Raketen nie zuvor gesehen, nicht wahr? Oder doch? Denkt an die Aufnahmen, die unsere Gefährten von dem künstlichen Satelliten mitgebracht haben. Wie beabsichtigten die Atlantiden, die Atombomben abzuwerfen? Mit Hilfe vier bis fünf Meter langer Raketen, also kleiner Raketen. Nun tauchen am Himmel dreißig solcher kleinen Geschosse auf, die anscheinend von einer großen Rakete begleitet und gesteuert werden. Ist es nicht wahrscheinlich, daß diese bemannt ist und den Auftrag hat, die Wolkendecke zu durchstoßen und die Ziele zu suchen, um dann die dreißig Atombomben abzuwerfen? Was ist dagegen zu tun? Die Bomben müssen vernichtet werden. Aber wie? Die Bewohner des Planeten haben früher einmal den toten Satelliten besucht und die Bomben mit Astron durchleuchtet. Sie kennen also zum Glück ihre Konstruktion. In jeder Bombe befindet sich ein Röhrenbündel, das in der Mitte konzentrisch zusammenläuft. Jede Röhre enthält ein Geschoß aus Uran und eine Pulverladung. Die Explosion dieser Ladung in allen Läufen zugleich verursacht den Abschuß der Uranprojektile, die sich zu einer Masse zusammenballen und, da die Masse über der kritischen liegt, die Atomexplosion auslösen. Um eine vorzeitige Explosion hervorzurufen, genügt es, die Pulverladung zu entzünden, und zwar am einfachsten durch eine beträchtliche Temperaturerhöhung. Zu diesem Zweck muß man ein entsprechendes magnetisches Feld in den oberen Schichten der Atmosphäre erzeugen… Aber so, denken die Menschen weiter, verfahren wir nur mit den Bomben. Das große Schiff mit der Besatzung greifen wir nicht an. Die unbekannten Gäste aus dem Weltall sollen wissen, daß wir weder gegen sie kämpfen noch sie vernichten wollen. Dieser Plan wird ausgeführt…
    Wie ihr seht, stimmt alles so erstaunlich gut mit den Tatsachen überein, daß sich zwei neue Fragen ergeben. Die erste lautet: Wenn wir in Unserer Beweisführung statt unbekannte Wesen Menschen einsetzen, dann zeigt es sich, daß Menschen gewiß ebenso gehandelt hätten wie die unbekannten Wesen. Sie müssen also den Menschen sehr ähnlich sein. Da hätten wir also bereits auf der ersten Expedition in den Weltraum, bei der wir als Ziel die nächste Sonne wählten, unter den Millionen Planetensystemen der Milchstraße eines kennengelernt, auf dem wir Wesen entdecken, die uns Menschen so unglaublich ähnlich sind? Setzt dieses Zusammentreffen nicht einen unwahrscheinlichen Zufall voraus, der alle vorhergehenden logischen Schlüsse über den Haufen wirft? Meine Antwort lautet: Ich projiziere das Gerüst menschlichen logischen Denkens nicht deshalb in das Handeln dieser Wesen, weil es das vollkommene ist, sondern weil es unerläßlich ist. Der Mensch mußte, um die materiellen Kräfte des Weltalls beherrschen zu können, im Laufe der Jahrtausende gerade diese Methoden induktiven und deduktiven Denkens in sich entwickeln, Methoden, deren Ursprung sich von den einfachen Reflexen jeder lebenden Materie ableitet. Wesen, die eine Sonne nur verehren und nicht die Umwandlungen in ihr untersuchen, kommen in ihrer Entwicklung nicht weit. Wenn also die Wesen, die den weißen Planeten bewohnen, eine hohe Zivilisation geschaffen haben – und das steht fest –, dann müssen sich ihre Sinne nach Gesetzen der Logik betätigen, die den unseren ähnlich sind. Bedeutet das eine Ähnlichkeit des Äußeren? Natürlich nicht. Der bedingte Reflex ist im Prinzip bei den Affen, den Regenwürmern oder den Haifischen ähnlich; aber in anatomischer Hinsicht kann man diese Wesen wohl kaum als menschenähnlich bezeichnen.
    Die zweite, wesentlichere Frage lautet: Wie war es möglich, da wir nun dies alles wissen, daß wir keine Sicherheitsmaßnahmen trafen, daß wir nichts von all dem, was geschah, voraussahen und es mit einer wahrhaft erschütternden Leichtfertigkeit zu einem so tragischen Irrtum kommen ließen? Meine Antwort auf diese Frage lautet: Unsere Feigheit und Überheblichkeit ist schuld. Die Begegnung mit dem Satelliten war ein Zufall, das stimmt. Aber was nachher geschah, das hatte mit Zufall nichts mehr zu tun. Nicht der Zufall fügte es, daß wir mit solcher Hast den Satelliten vernichteten. Im Motiv unserer Handlungen war die Überzeugung verborgen, daß die Vernichtung des

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