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Gast im Weltraum

Gast im Weltraum

Titel: Gast im Weltraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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enger wurde. Wir standen mit erregt klopfendem Herzen auf dem Promenadendeck, starrten gebannt auf die schneeweißen Wolkenozeane hinunter und wußten, daß jeder von uns, ohne es auszusprechen, das gleiche dachte: Wir sind am Ziel! Die geschlossene Wolkendecke verwehrte uns einen Blick in die Tiefe, als wollte der Planet seine Geheimnisse hüten und bewahren. Wir hätten auf die meteorologischen Bedingungen einwirken, die Wolken auseinanderjagen oder sie mit Hilfe der Strahlenemitoren verflüssigen können. Aber die Astrogatoren wollten nichts dergleichen tun. Wir beschränkten uns darauf, den Versuch, eine Funkverbindung herzustellen, in regelmäßigen Zeitabständen zu wiederholen. Als dies ohne Erfolg blieb, warfen wir an Fallschirmen befestigte Behälter ab, die Modelle verschiedener Apparate und Maschinen – der technischen Erzeugnisse der Menschen – enthielten. Die Wolken verschlangen unsere Sendboten und schlossen sich über ihnen. Aber nach wie vor vernahmen wir nur das monotone Ticken des Radars, ein Beweis, daß einige hundert Kilometer tiefer intelligente Lebewesen uns ständig beobachteten, die allerdings aus unerklärlichen Gründen schwiegen und unsere vielfachen Verständigungsversuche nicht beantworteten.
    Bei der letzten Umkreisung des Planeten ging die Gea an die Grenze der Atmosphäre hinunter, und plötzlich zeigte sich durch einen Riß in der Wolkendecke die Oberfläche des Planeten: Graublaue Flecken, die eine gewisse Ähnlichkeit mit riesigen, plattgedrückten Spinnen hatten, ausgedehnte Gebilde mit einem gekörnten, unmerklich erhöhten Mittelpunkt erschienen zwischen den aufgerissenen, schneeweißen Wolken. Die weite Ebene wurde von einer pechschwarzen Fläche abgelöst. Auf einmal traf uns ein blendender Lichtschein, und von Mund zu Mund ging der Ruf: „Das Meer!“ Die Wasserfläche, die sekundenlang das einfallende Sonnenlicht zurückgestrahlt hatte, reichte bis an den wolkenverhangenen Horizont. Die Gea verringerte die Geschwindigkeit noch mehr. Aber die Wolkenränder, die wie hochgetürmte, verschneite Bergketten aussahen, flossen ineinander. Wieder breitete sich das gleichmäßig weiße Wolkenmeer unter unserem Raumschiff aus. Nicht einmal unsere Radargeräte vermochten die dicke Wolkenschicht zu durchdringen, die Wellen kamen gestört zurück. Nur unregelmäßige, graue Flecken zeigten sich auf den Schirmen.
    Als wir drei Tage lang erfolglos über dem Planeten gekreuzt hatten, beschlossen die Astrogatoren, eine operative Aufklärergruppe in die Tiefe zu schicken. Diese Gruppe sollte aus mehreren von Piloten gesteuerten Einmannraketen bestehen. Diese Raketen sind in der Lage, unter schwierigen Bedingungen auf kleinstem Raum, ja sogar in einem verhältnismäßig dichtbebauten Wohngebiet zu landen. Eine größere, unbemannte Rakete, die das Fernsehgerät mit sich führte und deshalb das „Auge“ genannt wurde, sollte den Einmannraketen voranfliegen. Die Raketen hatten die Aufgabe, die Wolkendecke zu durchstoßen, verschiedene Beobachtungen vorzunehmen und, je nach den gegebenen Umständen, entweder zu landen oder zur Gea zurückzukehren.
    Die Startvorbereitungen fanden zu Mittag über der Tageshalbkugel des Planeten statt. Fast alle Besatzungsmitglieder der Gea hatten sich im zentralen Steuerraum versammelt. Die Deckenlampen waren ausgeschaltet. Die Bildschirme der Televisoren leuchteten wie Fenster, hinter denen ein helles Gelände liegt. Auf den seitlichen Schirmen, die mit dem Flugplatz verbunden waren, sahen wir die Piloten in ihren funkelnden Raumausrüstungen. Sie schlossen die Helme und verschwanden in ihren Raketen. Die Kolben schoben die ersten stählernen Spindeln in die Katapultschächte. Dann wurde es still. Ter Akonian legte die Hand auf den Hebel, drückte ihn hinunter, und ein gedämpfter, vibrierender Ton, wie der Schlag einer großen Glocke, hallte durch das ganze Schiff. Die unbemannte Rakete schoß in den Raum. Eine Minute lang war kein Laut zu hören außer unseren erregten Atemzügen. Wieder erklang der Glockenschlag. Fünf kleine, von Piloten gesteuerte Raketen wurden gleichzeitig durch die Bugkatapulte in den Raum geschleudert. Lautlos bewegten sich die Kolben, fünf weitere Stahlspindeln glitten auf den schmalen Gleisen in die Schächte. Gleich darauf drang der Schlag der Riesenuhr in alle Winkel. Das gleiche Schauspiel wiederholte sich, bis die letzten fünf Raketen die Gea verlassen hatten.
    Nun konzentrierte sich unsere Aufmerksamkeit auf den mittleren

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